25.09.2004

Die Liebe.

„Warum erkennen wir nie den Moment wo Liebe anfängt, aber immer den Moment, wo sie aufhört?

Steve Martin sagt dies in seinem Film LA Story. Und vielleicht habe ja all die recht, die sagen, das Komiker, die eigentlichen Philosophen sind. Dann wären die Komiker die echten Könige. Zumal Liebe am längsten hält, wenn sie nicht auf Sex, nicht auf Geld, nicht auf Macht und auch nicht auf Abhängigkeit basiert. Sondern auf Lachen. Bringt mann den anderen zum lachen, gewinnt mann ihn. Diese Eigenschaft hält einen wohl länger zusammen, als alles andere. Dann hätten Komiker beides: Weisheit und Liebe!

Der Philosoph Rousseau war der Meinung, das jede Gesellschaft damit beginnt das zwei einsehen, das sie gemeinsam mehr haben, als allein. Egal was das Eine auch sein mag. Und so schließen sie ein Vertrag. Sie tauschen. Und dann kommt ein Dritter. Und eine Vierter. Und alle bekommen etwas und geben etwas. Ein Gesellschaftsvertrag entsteht.

Das ist für mich Liebe. Jemand finden. Jemanden dem mann etwas geben will und von dem mann etwas will. Liebe ist also ein Prozess des Suchens. Nicht Zeitpunkt, sondern Zeitraum.

Nur das Problem ist, das wir nicht wissen was wir wollen. Oder zu einer anderen Zeit etwas geben wollen, als der andere bereit ist, was zu nehmen.

Ja, ich weiß, dass das sehr materialistisch klingt. Aber ich glaube ja auch nicht an so was wie Altruismus. Selbst Menschen wie Gandi, Mutter Theresa oder Franz von Assisi, hatten ein Interesse: Recht haben oder Recht bekommen. Anerkennung. Oder einfach ein gutes Gefühl: zu meinen das Richtige zu tun.

"Now you got the best of me - common and take the rest of me...oh baby!"

Diese geheime Hoffnung, wie Barry White sie besingt, haben alle. Auch die, die angeblich Altruisten sind. Nur dieser Hoffnung steht die blanke Realität entgegen. Francois de La Rochefoucauld meint hierzu:

„Wahre Liebe ist wie eine Geistererscheinung: Jeder spricht von ihr, aber kaum einer hat sie je zu Gesicht bekommen.“

Kein Wunder, den die Liebe ist eine Erfindung. Eine Erfindung der Neuzeit. Nichts wäre einfacher, als sie durch so etwas antikviertes wie den guten alten Historischen Materialismus zu beweisen. Der bitter arme Marx hat damals in London, schon beschrieben, wie die Veränderung der Produktionsmethoden die Gesellschaft verändert. Bis hin zu der Familienplanung und Schulausbildung. Je arbeitsteiliger, desto entfremdeter werden wir. Und je komplexer die Produktion, desto besser muss mann ausgebildet sein. Hier ist es dann zur Abwechslung auch nicht falsch, das „mann“ mit zwei „n“ zu schreiben. Denn Wissen und Bildung war damals den Männern vorbehalten. Und so kam mann auf die Liebe, als romantisches Mittel, das die Frauen nicht wegsterben.

Und heue sind wir in unseren Produktionsmethoden so weit, das wir genug Zeit und Muße haben, uns nicht nur á la Maslow, um die unteren Bedürfnisse zu kümmern. Wie: Essen, Luft und Sex. Nein, wir können uns komplexeren Bedürfnisse hingeben. Annie Lennox fasst es so zusammen:

“Everybody's looking for something.

Some of them want to use you.

Some of them want to get used by you.

Some of them, want to abuse you.

Some of them, want to be abused.”

Ahhh. Ab dann wird es also psychologisch. Oder sollte ich pathologisch sagen. Denn die Liebe hat nicht nur ganze Bibliotheken gefüllt. Sondern auch Kriege ausgelöst. Und Menschen in den Tod geführt.

Alleine für Vaterlandsliebe und für die Liebe an den „richtigen“ Gott sind Millionen gestorben. Aber das ist nicht mein Thema. Mein Thema ist die Liebe als Sehnsucht. Eine Sucht in der Ferne, räumliche wie zeitlich. Sein Ideal zu suchen. Oder wie Cole Porter textete:

"Every time we say goodbye, I die a little. Every time we say goodbye, I wonder why, a little!?"

Jedes Buch, das eine glücklich Liebe beschreibt, ist fürchterlich dünn und langweilig. Denn glücklich Liebe ist glitschig wie eine Qualle. Keiner kann sie halten. Mal soll sie wie bei B. Midler romantisch sein:

"...will you dance with me under the moonlight...?"

Dann wieder wild und aufregend, wie bei Georgett Dee:

"Betrogene Frauen haben Probleme. DAS ist der Grund wofür Gott, Matrosen geschaffen hat."

Dann schlägt sie wieder um, in Resignation, wie bei Malediva:

"Liebe? Warum? Ich habe doch Freunde! ..."

Grundsätzlich glaube ich ja nicht an Unterschiede zwischen Schwulen und Heten. Aber wie jede Minderheit, haben auch die Schwulen, zwecks Arterhaltung, einfach nur ihre von der Majorität zugewiesenen Vorurteile, zur Stärke gemacht und nutzen sie zur Selbstindifikation. Diese Präambel des Schwulen Gettolebens ist der Sex.

"In dir ein edler Sklave ist, dem du die Freiheit schuldig bist."

(Matthias Claudius)

Eine Platinkarte bei Douglas; DAS angesagteste Sportstudio; Die Wahl des richtigen T-Shirts für die Nacht; Schwanzlänge; Bizepsumfang und Tittenkörbchengröße. Das sind die neuen Mauern der Großstadt Schwulengettos. Aber zwischen Autobahnparkplätzen und schwulen Saunen, haben wir schwule Männer vergessen, dass das Phänomen der Inflation auch für Sex gilt. Und so reicht es nicht mehr, möglichst viele Männer zu haben. Nein, es muss dann gleich noch ein Küchenhängeschrank mit rein geschoben werden.

"Ach was ist mann doch für ein simples Tier. Kaum hat mann mal mit zwei Herrn an einem Abend geknutscht, schon fühlt mann sich als König. Da nützt es auch nichts, am nächsten Tag die Carpenters zu hören. Mann fängt doch wieder als Bettler an..." (SH)

Wie bei einem Junkie, wird aber auch diese Droge langsam schal und ist nicht mehr genug. Es muss mehr her. Und die daher stammende vollständige, kommerzielle und moralische Fixierung auf Sex, unterscheidet uns von den Heten. Wobei die Heten Männer da eher voller Neid drauf schauen, als alles andere.

Aber wenn diese Inflation uns fest im Griff hat. Und die ganze Hetenwelt ja auch immer schwuler wird, dann bleibt die Liebe auf der Strecke. Und Georgett Dee sagt zu recht:

"Sentimentalität ist etwas, was nur die, die nicht lieben, empfinden."

Gerade die Schwulen wissen, das Liebe und Sex nicht immer zum gleichen Schuhpaar gehören. Ja, dass das eher die Ausnahme ist, als die Regel. Daher auch so viele schwulen Paare, die nach der Phase des verliebt sein, kaum noch mit ihrem Partner liebe machen, sondern die Miete teilen und ansonsten die reifen Früchte des Gettolebens in vollen Zügen kosten.

Kein Wunder das Hildegard Knef zum Vorbild wurde:

“Nicht alleine sein, doch frei sein.“

Und damit der Nachschub an Sex und Männern immer stimmt, sind wir verdammt zu der Lebensmaxime der weisen Georgett Dee:

"Lach - und die Welt lacht mit Dir!

Wein- und Du schläfst allein!"

Na dann wissen wir wenigstens, warum wir „gay“ sind. So, das wir nicht allein schlafen.

Tim Fischer fasst es zusammen mit:

"Ich glaube an die Liebe, aber nicht an die Treue."

Die Liebe zeigt sich für mich in Momenten, wie der großen Ruhe im Theater, wo ich bei der ergreifendsten Stelle des Stückes, kurz zu Seite zu meinem Verlobten schaue und er zärtlich seine Hand auf meinen Oberschenkel legt. Und in aller Stille, die Wärme dieser Hand mir Rast und Geborgenheit gibt.

"Und das Grau in Grau, wird auf einmal Blau, wie noch kein Blau jemals war."

(Cabaret)

Und die Liebe zeigt sich für mich in Momenten, wie bei dem Frühstück auf der Terrasse bei unserem Lieblingskaffee. Wo ich Kraft tanke, obwohl wir seit zwei Stunden kein Wort gesagt haben, weil wir beide unsere Wochenzeitschrift lesen und nur Blicke notwenig sind, um miteinander zu kommunizieren. Oder sagen wir zu mindestens um zu hetzen, über die übrigen Passanten.

Wie schnell ist nichts passiert!

(unknown)

Und die Liebe zeigt sich für mich in Momenten, wie an diesem besonderen Morgen. Wo die Sonne sich ins Zimmer schleicht und Ihre ersten Strahlen sich in den blonden Haaren seiner maskulinen Unterarme bricht. Wo der Duft seines Körpers und der Duft der Zärtlichkeit der gemeinsamen Nacht, das Parfum sein wird, was mann nie mehr im Leben vergessen mag.

Das Pendel schwingt zwischen: "In einem Meer von Zärtlichkeit ertrinken." und "Der Geilheit Untertan."

(SH)

Das ist das Ziel. Der Weg zur Liebe ist das Spannende. Und liebeskrank zu sein, kann ganz wörtlich sein. Denn der Bauch, als Plattform unserer gefühlten Emotionen, zerrt, schmerzt und zieht sich zusammen. Kaum das wir ihn sehen. ER, die Oase in der langen Suche nach Liebe. Und gequält von der Unsicherheit, das ER nicht das gleiche fühlt und mich zurück weißt, lässt mich schüttelt vor Angst. Schwitzend, Schüttelfrost gleich, trete ich ihm gegenüber. Und bange, dass es ihn auch so zu mir zieht, wie es mich zu ihm zieht.

“Something in the way he smile ...

Something in the way he move ...

Something.”

Und hat mann diese Unsicherheit überwunden und der Verlobte lässt sich ein auf das Abenteuer, quält der nächste Gedanke, das dieser Mann so wunderbar ist und das gewisse Etwas für mich hat, so wie Shirley Bassey es mit einem Beatles-Song ausdrückt.

Kann dieses Wunder mich Lieben? Kann er wirklich mich meinen? Bin ich es wert?

Erst wenn der Boden wieder da ist, der er mir unter den Füßen weggezogen hat. Erst wenn die Sturmflut der „Angst zurück gewiesen zu werden“ abgeflaut ist. Erst dann kommt mann in die Phase, in der mann der ganzen Welt, die es hören will oder auch nicht, dieses eine laute JA als Antwort auf all die Fragen entgegenschleudert.

Das sind die Momente, wo wir uns dabei erwischen, wie

„Singing and dancing in the rain”

für uns Wirklichkeit ist. Das sind die Momente, wo wir zu der Musik von ABBA laut und glücklich singend durch die Stadt schweben. Und es sind die Momente, wo wir jung, reich, intelligent sind und eine straffe Haut haben.

Und spontan verstehen wir auch den Unterschied zwischen Freiheit und Einsamkeit.

"Freiheit ist es,

wenn wir ihn los werden wollen.

Einsamkeit ist es,
wenn wir ihn vermissen."

(SH)

Und dann hat mann irgendwann keine Zeit mehr durch den Regen zu tanzen. Es regnet ja. Und irgendwann singt mann auch nicht mehr, nur weil ABBA gerade gespielt wird.

Und er größte Feind der Liebe, kommt um die Ecke. Es ist nicht die Eifersucht. Es ist nicht der Seitensprung. Nein, es ist die Langweile. Sie ist der wahre Feind jeder Liebe.

"Funny how a lonely day, can make a person say... What good is my life?"

(Shirley Bassey)

Und bevor mann sich versieht setzten die 6 Phasen der Trennung ein. In der Phase I gibt mann sich dem Selbstmitleid hin.

Wenn einem das Denken an für sich, zu sehr überkommt, dann kann mann auch im Bett bleiben. Und nimmt die Flasche einfach mit.

(Georgett Dee)

In der Phase II ist die Sehnsucht am stärksten.

"All the joy this world can give, doesn't give me anything, when you are not here." (Annie Lennox)

In der Phase III regiert der Hass. Dann wird der Ex-Schwiegermutter der Internetlink des Ex-Verlobten in Gayromeo per SMS zugesandt. Natürlich von dem Profil, dass den Ex-Verlobten als kleines passives, devotes Mäuschen zeigt. Außerdem schläft mann mit allen Männern, den der Ex-Verlobte mal gut fand oder einfach mal auf der Straße zufällig nachgeschaut hat. Und wenn mann schon dabei ist, geht mann rein zufällig mit dem Industriemagneten an seinem Laptop vorbei.

In Phase IV wird der Ex-Verlobte vollständig ignoriert und geleugnet. Auf Parties reagiert mann auf Nachfragen der Freunde, nach dem Verbleib des Verlobten mit Unverständnis. Nur weil mann glaubt, IHN auf der anderen Straßenseite gesehen zu haben, schaut mann sich plötzlich die Auslage des spießigen Porzellansladens an. Dabei sah der junge Mann auf der Straße, dem Ex noch nicht mal annährend ähnlich.

In der Phase V wird einem klar, was mann alles machen kann, jetzt wo der Verlobte mit Sack und Pack das Haus verlassen hat.

"Erst nachdem wir alles verloren habe, haben wir die Freiheit, alles zu tun."

(Tyler Durden, in Fight Club)

Dann wird fleißig unter der Bettdecke gepupzt. Mann kauft sich morgens ohne schlechtes Gewissen die Express, anstatt die FAZ. Und wenn es schon um Frühstück geht, bleiben manche Herrn dann auch mal über Nacht. Und werden zum frühen Stück gemacht.

In Phase VI haben wir nach 314 Therapeuten-Einzelsitzungen und 523 Milchkaffees mit guten Freunden alles verstanden und sind nach 3 ½ Jahren Trennung in der Lage, eine ECHTE Freundschaft mit dem Ex-Verlobten einzugehen.

"Winter, Spring, Summer or Fall. All you got to do is call."

(Caroal King)

All das ist der Weg der Liebe. So lesen wir es. So sehen wir es. So wünschen wir es. So brauchen wir es.

Schade nur wenn Tim Fischer für meine Realität spricht:

"Er küsst wie kein anderer und doch ist er allein wie keiner."

Doch egal was unser Herz uns sagt. Egal ob der Bauch sich krümmt. Eins ist in jeder Phase wahr:

We are beautiful. No matter what they say. Words can’t bring us down. We are beautiful. In every single way. So don’t you bring me down today! (A.C.)

In Liebe an meine Freunde!

Köln, der 25.09.2004