02.07.2008

Das gelobte Land von Dalliah Lavi. (2. Reisebeicht aus Israel)

Das israelische Volk ist ja das auserwählte Volk. Weil es nach Jahrzehnten des Wanderns in der Wüste und dem damit verbunden Leid und Entsagungen, im Land wo Milch und Honig fließt, angekommen ist. Es wird von Gott für seine Treue mit dem gelobten Land belohnt. Das hat uns ja alles schon Nany Fine mehrmals beigebracht.

Mir ist heute das selbe passiert. Wenn mir der geneigte Leser diesen gewagten Vergleich durchgehen lässt, will ich das Wunder gerne etwas später erklären, wenn ich gleich über das "LIMA LIMA" schreibe.

Heute hat Israel Geburtstag. Israel wird 60 Jahre alt. Und das ganze Land feiert das Überleben und Behaupten gegenüber seinen Nachbarn und die Schaffung seiner Nation.

Ich stehe auf der Terrasse eines Penthouses, mitten im angesagten "Neveh Tzedek"-Viertel von Tel Aviv. Hier auf der privaten Party von einem Deutschen schwulen Pärchen, das aus Berlin nach Israel ausgewandert ist, feiern etwa 30 jüdische, junge Mega-Schnuckels den Geburtstag von Israel.

Von unseren Plätzen aus, sehen wir das Feuerwerk und die Lasershow ganz besonders gut. Aber keiner achtet darauf. Denn es ist Prime-Time. Nicht im Fernsehen, sondern hier auf der Party. All die gutaussehenden, sympathischen jungen Männer sind in Heiratsstimmung. Um es mal mit "Sex in the City" zu sagen: alle verhalten sich wie Charlotte, die fixiert darauf ist, "Mr. Right" kennen zu lernen. Und da es erst kurz nach 23 Uhr war und noch keiner richtig betrunken war, war es noch zu früh, dass Sie Ihre Erwartungen herunter schraubten zu "Mr. Maybe" oder "Mr. Tonight".

Es gab nur 4 Männer, die 40 oder älter waren. Ansonsten waren es nur 20-something Junx. Als ich das Gastgeber-Pärchen darauf anspreche, bekomme ich allen ernstes die Antwort, dass sie sich die gute alte jüdische Sitte des Kuppelns als Lebensaufgabe für die Youngsters gemacht hatten. Denn wenn es in NYC schon schwer war einen schwulen Partner zu finden fürs Leben, war es das in dem nur 400.000 Menschen großen Tel Aviv erst recht. Und so machten Sie halt öfters und ganz selbstlos, kleine Dinner-Parties für die Nachwuchsschwulen, so dass Mann sich zwanglos kennen lernen konnte.

Ich war hier, wieder total visuell überfordert, wie während meines ganzen Tel Aviv Aufenthalts. Etwa 30 anwesende israelische Junx hätten alle ohne Ausnahme, meinem persönlichem Lieblings-Computer-Programm entsprungen sein können. Das wäre das Programm, das ich selber nach eigenen Vorlieben entwickeln würde, wenn es dann endlich mal das Holodeck aus Raumschiff Enterprise für den Hausgebrauch geben würde.

Und so kam es, dass während ich mich an der Salatbar bediente, bereits mehrer Speed-Dating Termin hatte und bei den Cocktails, bereits die Hälfte der Junx kennen gelernt hatte.

Immer mit demselben Ergebnis. Starker Anfang und noch schnelleres Ende. Kaum verstehen Sie, dass ich aus Deutschland bin, läuft IHR ganz eigenes Holodeck-Programm ab und ich sehe ihre Augen sich aus Vorfreude verdrehen. Sie drehten Ihre Körpersprache und Hormone auf Maximum. Aber bereits nach der zweiten Frage und Antwort werd ich zu Luft: "Ach, Du hast einen Freund!!!!!"

Und so kam es dann, wie es kommen musste. Ich stand mit dem älteren prätentiösen Pärchen und dem zweiten Gast über 40, alleine mit einem Cocktail in der Hand.

Der andere Gast war als einziger im Anzug und recht formell angezogen. Er war wohl auf einer der vielen offiziellen Staatsempfänge zum Geburtstag gewesen. Mann kam ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass er hervorragend Deutsch sprach und so etwas wie Ulrich Wickert für Israel war.

Keine 10 Minuten später schauten uns die 30 Junx mit großen unverständlichen Augen an und erklärten uns zu Aussätzigen.

Denn der Ulrich Wickert Israels, der sonst die Bombenattentate und Raketeneinschläge der Hamas dem Land verkündigt, entdeckt das ich aus Köln komme. Seit 15 Jahren fährt er jedes Jahr nach Köln und feiert dort 5 Tage nonstop Karneval.

Ohne es zu wissen habe ich wohl jahrelang Schulter an Schulter in der Brennerei Weiß mit ihm Karnevalsschlager gesungen und gegrölt.

Ein Kölner kennte da ja keine Hemmungen und sofort sangen wir gemeinsam in die israelische Geburtstagsnacht hinaus. die Kölner Evergreens: "Kölsche Mädche haben spitze Bützchen aan" und " Drink doch ene met. " und auch " Denn wenn et Trömmelche jeet, dann stonn mer all parat, ". Und als uns nach vielen Songs, das Herz aufging und unsere Stimme, langsam kietschten, schaute mir "Ulrich" fest in die Augen und sagte mit leiser, aber gefasster Stimme, dass seine zweite größte Liebe den Chansons von Dalida gehört. Ich denke mir noch kurz, dass das wohl die Stimme und das Gesicht war, das er hatte als er im Fernsehen die Nachrichten verlesen hat, das der Staatspräsident von Israels gerade abgesetzt werden sollte wegen sexuellen Übergriffen an seinen Mitarbeiterinnen.

Aber schnell fasst ich mich und gestand im Gegenzug, das ich vor weniger als einer Woche in Köln beim Fabulous Cup meine Eiskunstlaufkür zu einem Chanson von Dalida getanzt hatte. Ohne etwas zu sagen oder ein Zeichen zu geben, stimmten wir beide gleichzeitig zusammen an und sangen ""Ein Schiff wird kommen!".

Wir lachten bis uns der Atem wegblieb und freuten uns an meinen Details zu dem Outfit und der Kür.

Und mit großen ernst eines echten Fans gestand er mir, dass er am nächsten Tag nach Paris fliegen würde zu einem Gedächtnis-Konzert für Dallida.

Vor lauter singen und lachen war es spät geworden. Und zwar so spät und so viele Cocktails später, dass jetzt nicht mehr Mr. Right-Zeit, noch Mr. Maybe-Zeit war. Es war Mr. Tonight-Zeit.

Und deswegen fingen die 30 Junx auch an, zusammen mit "Ullrich" und mir, einen Tribut an das Israelische Chanson zu geben. Wir sangen alle zusammen "Jerusalem" von Dalliah Lavi.

Und die Nacht und Tel Aviv verzieh mir das schlechte singen. Und auf einmal war ich auch nicht mehr Luft für die Junx. Ach ja, es war ja jetzt Mr.Tonight-Zeit.

Aber als Ramschware wollte ich in dieser Nacht nicht durchgehen. Ich wollte keinen der "Charlotte's" haben.

So stolz bin ich bei leibe nicht immer. Aber mir war an dem Abend davor etwas passiert, dass mich mehr ausgefüllt hatte, als schneller Sex mit jungen knackigen Israelis es vermocht.

Ups. Habe ich das geschrieben? Ja, aber so war es.

Denn ich hatte es was erlebt was ich schon l a n g e nicht mehr erlebt hatte. In den 25 Jahre die ich jetzt ausgehen zum Tanzen und Spaß haben, habe ich mich fast immer als Einzelgänger und "das letztes Einhorn" empfunden.

Es gab einfach einen Mix von Begebenheiten, die mich dazu gemacht haben. Gehen andere immer mindestens zu zweit oder in der Gruppe weg, ging ich gerne unabhängig.

Konnten andere den Druck, des sich präsentieren und des gesehen werden, nur schwer alleine ertragen, spürte ich ihn gar nicht.

Rotteten sich die einen in Gruppen rund um Alkohol oder Drogen zusammen, wollte ich das nicht.

Wollten die einen durch Musik ohne Rhythmus und ohne Stimme sich "abspacen", wolle ich im hier und jetzt sein, weil ich eine fette schwarze Frau schreien hören will, die sich nicht scheut, so etwas altmodische wie einen Refrain zu singen.

Und in der Summe war ich damit dann außen vor. Ich war wie vor einer Wand aus Glas. Ich war mit ihnen im selben Raum, aber erlebt etwas anderes. Fühlte keine Verbindung. Fand keine echten Zugang.

Und dann bin ich ja auch noch konservativ genug, um die Ansicht zu haben, dass das Ausgehen und Tanzen gehen, einem Energie geben sollte. Und nicht einem die Energie aussaugen sollte.

Daher kommt dann auch die seltsame Einstellung von mir, die besagt: "Good music: I dance. No good music:I do not dance!"

Eine Selbstverständlichkeit? Nein. Denn wenn eine Party nicht gut ist, ich keine gute Stimmung habe, ich gerade keine Energie habe oder die Musik mir nicht gefällt, gehe ich einfach nach Haus. Die anderen bleiben dann und werfen eine Pille ein.

Und da das heute der Mainstream ist, ist meine Partywelt nicht mehr wirklich da. Das hat dann zu so seltsamen Stilblüten geführt, wie das ich in London auf der angesagtesten Party der einzige Tänzer war, der auf der zweiten Dance-Floor mit Vocal-Music tanzte.

Oder das ich in Brüssel bei der "Demenz" (fg) auf einer Tanzfläche von 1x3 Meter der Einzige bin, der tanzt und von der langen Schlange, die an mir vorbei Richtung Darkroom geht, als Fossil angesehen werde.

Das tat alles weh.

Aber jetzt war ich ja in Israel. Dem gelobten Land. Es ist Montag und ich gehe ins "LIMA LIMA" auf der Lilinblom Street. Nicht weit entfernt von der Tanzbar "minus 1". Das ist ein kleiner Tanz-Club, wo nicht mehr als 250 Männer passen und wo der ganze Abend ein wilder Mix aus Klassiken der Motown Ära, aktuellen R&B und Pop gespielt wird. Nettest Herren, die alle Tanzen, alle ohne Drogen und alle mit einem echten Lächeln im Gesicht.

Ich tanzte mich in den 7. Energie-Himmel und trank anschließend in dem dazu gehörigen Hinterhofgarten ein Bier im freien. Asaf, mit dem ich mich an diesem Abend verabredet hatte und den ich aus dem Blauen-Internet kannte, stellt mir der Reihe nach die Junx vor, mit den ich eben noch wortlos auf der Tanzfläche getanzt hatte.

An diesem Abend lag ich alleine im Bett und war glücklich. Ich war voller Energie und hatte keine Beule an der Stirn wegen einer Glaswand, gegen die ich gelaufen war.

Ich war in Kontakt mit mir und den Junx gewesen.

Danke Tel Aviv.

28.05.2008

Schönheit minus 1. (1. Reisebeicht aus Israel)

XL. So heißt der Sitz am Notausgang auf dem ich sitze auf meinem Flug. Die Reihe hier am Notausstieg ist fast leer. Ich sitze am Gang. Links von mir ist ein Sitz frei. Dann ein orthodoxer Jude am Fenster. Auf der anderen Seite ist nur der Fensterplatz belegt. Mit einem verhaltensauffälligen Araber.

Mir ist nicht wirklich gut zumute.

Der Jude hat sein religiöses Buch auf den mittlern leeren Platz zwischen uns gelegt. Dort liegt es jetzt zusammen mit meinem Buch über das Leben und das Werk von Jesus. Diese beiden Bücher liegen dort vereint, wo sonst Touristen ihren Po deponieren.

Auf diesem meinem Flug nach Israel bin ich mir nicht mehr sicher was passiert: steinigen mich die 20 orthodoxen Juden an Bord, weil ich eine Buch über Jesus lesen? Oder lädt der verhaltensauffällige Araber die ganze Maschine nach Mogadischu ein?

Dieses Gefühl von mir auf meinem Flug mit der Boing 737, ist wohl symptomatisch für Menschen die noch nicht in Israel waren.

Mann denkt ständig das was passiert, aber in Wirklichkeit passiert gar nicht.

Zumindest hier in Tel Aviv wo ich jetzt bin. Eine Stadt am Mittelmeer. Eine Stadt die den Namen Flühlings Hügel trägt. Aber ansonsten hässlich ist.

Szenenwechsel:

Ich bin eingezwängt von Massen von Israelis die von hinten nachrücken und einem Absperrgitter vor mir. Mein Magen und meine Brust werden fast zerquetscht. Aber diese Schmerzen sind nichts verglichen mit dem Schmerz in meinem Ohr, der gespeist wird von dem wilden orientalischen Geschreie von 200 Junx, die hinter mir stehen und nach AVI schreien. A V I ! .

Avi ist der Prototyp einer übelgelaunten, übergewichtigen ungefickt zum Dienst erschiene Tucke, die die "Herrscherin der Nacht" ist. Denn "Sie" macht die Tür im "minus-1". Das "minus-1" ist nichts anderes als eine schwule Tanz-Bar. Ein großes Kellerloch in einem Wohnhaus im orientalischen Teil Tel Avivs.

Und kaum ein paar wenige Stunden in Israel sein, lerne ich gleich etwas über die Kultur. Körperlich Abstand, Rücksichtnahme, Vortritt lassen, das ist nicht das wichtigste hier im Land.

Und auch ganz neu für mich war es, zu beobachten, wie Menschen sie vor der "Herrscherin der Nacht" erniedrigen können, nur um in einen Tanzschuppen zu kommen.

Dieser Schuppen bestand aus zwei langgezogenen Theken. Eine erhöhte DJ-Baumhaus-Box. Mehr nicht. Aber 500 israelische und arabische Junx machten den Unterschied. Männer, wie aus meinen ganz persönlichen Lieblingsfilmen von Brunos.

Die Stimmung kocht. Kein tanzt nicht. Keiner ist nicht in Bewegung. Ich habe voll auf "CSD"-Modus umgestellt. Alle meine Sinne sind auf Alarm geschaltet. Ich erwische mich selber bei den Gedanken: "Der sofort. Der auch. Der später. Der für immer. Der … Der….. Der." Ich bin absolut visuelle überfordert. Hier sind die Männer wie ich sie mag. Diese sensationellen ausdrucksstarken Lippen. Schmale Hüften. Kleiner als ich. Ausgemergelte Gesichter. 7 Tage Bärte. Dunkles schwarzes Haar. In Deutschland würde ich diesem Typus nicht so lange hinterher sehen, vor Angst eine in die Fresse zu bekommen. Denke ich in Köln: "Ach, wäre doch nur einer davon…. " denke ich hier: "Ach, welcher denn zuerst…".

Ich vergleiche meine Gefühl die ich gerade in dieser Keller-Bar habe, mit den Erinnerungen an mein Lieblingsgericht von meiner Oma: Bratkartoffeln. Nur sie konnte sie SO machen. Nur mit IHRER Pfanne und mit Gas gekocht, nur mit IHREN Gewürzen, schmeckte es so unvergleichlich.

Und jetzt bekomm ich hier nicht nur mein "Lieblingsgericht", sondern ich war auch noch mit allen Kartoffeln zusammen in der Pfanne.

Neben der tollen Stimmung und den sensationellen Junx gab es noch echtes Entertainment Programm. Während mann sich in Deutschland in einer Bar dafür entschuldigen muss, dass mann etwas bestellt und dann dafür dann noch mit langer Wartezeit belohnt wird, ist es hier ein wenig anderes.

Hinter den zwei langgezogenen Theken (oder sollte ich Bühnen sagen?) arbeiteten das, was wir aus dem Film "Studio 54" kennen: echte Profis. Junx, die nicht nur schnell, kompetent und liebreizend ihren Job machen, sondern auch noch für das Entertainment sorgen. Hier eine Bier verteilt und ein Lächeln zum Niederknien geschenkt, dort auf die Theke gesprungen und schnell mal zur Musik getanzt. Dort ein Wodka verteilt, hier eine Feuer-Linie mit Whiskey auf der Theke gelegt. Dort ein Red Bull serviert, dann aber schnell zur Kuß-Show-Einlage mit dem Kollegen.

Und jeder Besteller wird mit einem Lächeln und einem vertrauten Anfassen an der Schulter bedient, als wäre mann das Wichtigste der ganzen Nacht.

Unnötig zu erwähnen, dass die Herren hinter dem 1-Meter-hohen-Schutzwall, der sich Bar nennt, eine Mischung aus dem Körper von König David und einem Surferboy hatten. Gut trainiert, ohne die Proportionen zu verlieren. Anabolikafrei und deswegen noch mit meinem Gesichtsausdruck gesegnet. Und von einer Würde umgeben, die Menschen haben die, die das was sie tun, lieben.

Ich verlasse das "minus-1" mit einem Gefühl der inneren Genugtuung. Ich freute mich einfach dran einen Abend zu haben, der meine Musik, meinem Geschmack von Männer und meine Vorstellung von Spaß beinhaltet. Die ist keine Selbstverständlichkeit.

Als ich zum Ausgang ging, sah ich noch im Augenwinkel Avi. Jetzt war er nur noch Gast und nahm die unaufrichtigen Küsschen der anderen Gäste entgegen, die auch noch in der nächsten Woche ins "minus-1" wollten. Jetzt, wo er hier unter den anderen Stand und ohne den Glanz des Titels der "Herrscherin der Nacht" auskommen musste, da sah ich erst das ganze Ausmaß seine Tragödie. Aber nicht seine bunt bedruckte D&G-Hosen-Kopie entstellten ihm am meisten. Auch nicht das zu kleine und zu enge Samtoberteil mit Strass, aus dem sich der Bauch vorwitzig heraus schob macht ihn zur Witzfigur.

Nicht das Zuviel war es an ihm, dass ihn so dramatisch aussehen lässt, sondern das ZUWENIG. Das zuwenig an Würde. Er liebt nicht, das was er tat und ist. Denn nach 2 Stunden "Herrscherin der Nacht"-sein, war er wieder alleine. Auch unter den ganzen "Bekannten" hier. Und Einsamkeit tut weh.

Ich verließ das "minus-1" und war schon wieder auf den Straßen von Tel Aviv. Es war noch Nacht und ich ging allein durch das arabische Viertel, das Menschen leer war. Ich hatte den Gestank der Bar noch in der Nase und den lieblichen Tinitus der tollen Musik noch in meinem Ohr. Auf meiner Haut verdunstet der Schweiß vom Tanzen langsam in die warme Nacht hinein.

Am Nachmittag hatte ich mir hier den Markt angesehen. Und wie alle arabischen Märkte war das eine Feuerwerk an Farben, Gerüchen und Lautstärke. Hier ein abgehackter Ziegenkopf, dort bedruckte T-Shirts, dann wieder Gemüse und dann wieder CD's. Erst steigt einem Zitronenduft in die Nase, dann stinkender Fisch, dann wieder alles Gemüse des Mittelmeers.

Ein gefundenes Fressen für erlebnishungrige Augen von Fotografen. Aber wer am Abend, wenn der Markt vorbei ist und die Menschenmassen aus den schmalen Gassen verschwunden sind und auch die Händler schon zu Hause sind, über diesen Markt geht, weiß was Einsamkeit, Schmutz und Verwahrlosung ist.

Innerhalb von 12 Stunden sah ich jetzt bei Nacht den Markt ein drittes Mal. Und wieder in einem andern Licht. Jetzt hatte er was von Waffenruhe, von Ruhe vor dem Sturm.

Jetzt war es mir erst möglich in Israel anzukommen. Meine Seele war einfach nicht so schnell wie das Flugzeug gewesen. Sie braucht auch länger als meine Augen die schon tagsüber die Stadt erkundet hatten.

Jetzt war sie wieder bei mir, meine Seele. Und jetzt konnte sie auch die vielen anderen Kleinigkeiten meines ersten Tages in Tel Aviv bemerken. Die Einsamkeit und Ruhe meines nächtlichen Sparziergangs durch Tel Aviv und den arabischen Markt, erlaubtes es mir jetzt die Details meines Tages aufzunehmen.

Jetzt konnte ich mich freuen über das Konzert der Band, die am Nachmittag am Eingang des Marktes auf einem Balkon im 2. Stock spielten und mit ihren E-Gitarren auf die orthodoxen Juden unter ihnen lachten. Konnte sehen wie der Rock&Roll der Band mich fast verleitete die Einschusslöscher auf dem Haus, von dem der Balkon war, nicht zu sehen.

Mit einem Lachen ging ich in der Dunkelheit an der Stelle vorbei, wo mich am Nachmittag noch ein orthodoxer-Teenager-Jude, der bei Leibe nicht unsüß war, durch Flirten zu einem religiösen Gespräch verleiten wollte.

Am Ende des Marktes stoße ich auf einer der Hauptverkehrsadern Tel Avivs, die Straße "Allenby". Und um 4 Uhr Morgens war auch hier Niemand auf den Straßen und kaum ein Auto. Er trennte den arabischen Markt von der "Weißen Stadt".

Das ist der älteste Teil der Stadt die erst 1909 gegründet wurde. Er besteht nur aus Häusern in Weiß, die alle im Bauhaus Stil gebaut wurden und zum Weltkultur-Erbe gehören.

Hier war es schön. Hier war es malerisch. Hier atmete das ästhetische geschulte Auge durch. Und das Gerade und das Schmale wisch hier dem Runden und Geschwungenem.

Und hier ist auch die Straße, die mir am Nachmittag so viel Spaß gemacht hat: "Sheinkin". Das was die Ehrenstraße für Köln ist, ist die Sheinkin für Tel Aviv: jung, hünsch, trendy, modern, frisches Lebensgefühl.

Jetzt war es 4 Uhr und ich war allein. Ich dachte an den wunderschönen schwulen Film "The Bubble" der hier spielt und freute mich über den grandiosen Start meines ersten Tages in Tel Aviv und auf noch mehr Abenteuer in Israel.

Dieser Tag, die schwulen Versprechen aus dem Film und meine Hoffnung, ließ mich Großes für meinen Israel Urlaub hoffen.

Aber jetzt war erst mal Nacht und es war Sabatt. Und da geht ja angeblich GAR NICHTS in Israel. Oder doch?

- to be continued -



17.02.2008

Küsse lügen nicht. (2. Reisebericht von der Bootstour durch die Niederlande)

Die meisten Männer habe DAS nur einmal in ihrem im Leben. Und DAS verschlafen sie auch noch. Es ist der weibliche Orgasmus. Ja, ja … das haben Männer. Das ist nichts anderes als ein Orgasmus ohne physikalische Reibung unterhalb der Hose. Ein Orgasmus der von Innen kommt und nicht von Außen bewirkt wird.

Die Mädels von Euch werden jetzt sagen, was ist daran so toll. Ist ja oft das einzig was ihr habt… hust. Aber bei uns Junx ist das schon anderes. Wir haben das in der Pubertät einmal, als Zeichen des Körpers: „ich bin dann jetzt mal so weit“ und das passiert dann auch noch im Schlaf und durch Träume. Dann hat es sich aber auch schon, mit der Karriere des Auto-Orgasmus bei den Junx. By the way, das hat nichts mit Sex im Autokino zu tun und auch nur bedingt mit Onanie.

Nein, beim Auto-Orgasmus geht es darum, dass zu erleben, was sonst nur durch Bewegung, Reibung oder Kontakt mit den Geschlechtsorganen entsteht, halt nur ohne diese Akrobatik.

Aber wie komme ich darauf? Dies ist hier die Fortsetzungs-Kolumne über den Canal Pride in Amsterdam. Im ersten Teil Prisilla, Queen of the Markermeer !” saß ich ja knatschend auf den Stufen vor dem Haus in Amsterdam. Denn ich kam nicht klar mit einem Gefühl der Distanz und des Ausgeschlossen seins, innerhalb und von der Gruppe auf dem Boot.

Aber ich hatte ja mein Karma wieder weichgespült, dank der Shirley Bassey Songs. Und wollte mich jetzt der dunklen Seiten des Amsterdamer Nachlebens hingeben. Jeder reagiert ja anderes auf Stress oder Ärger. Ich Köln gibt es zum Beispiel eine Bar, die hat über dem Eingang die Widmung hat „Trinken als Chance“. Ich würde jetzt nicht so weit gehen, das ich erwarte, dass auf meinem Grabstein mal steht “Ficken als Chance“. Aber es gibt halt so Tage - oder sollte ich sagen Nächte - da macht mann sich ja schon gerne vor, das Sex alles wieder gut machen kann.

Und wenn Liebe blind macht, dann macht Geilheit einen zum Koma-Patienten. Zu mindest was die den Blick für die Realität angeht. Anders kann es mir nämlich nicht erklären, warum ich ausgerechnet ins "The Eagle" gegangen bin. Erst mal einfach nur eine Bar wie jede andere. Theke, Billardtisch und ein Keller.

Aber fangen wir mal an mit dem drum herum. Die Warmoesstraat in Amsterdam ist die Straße, die einem Weltraumbahnhof-Warteraum Dritte Klasse am nächsten kommt. Hier treffen Sie sich die Aliens Amsterdam's. Eine Straße voll mit Bars, Kneipen und Stundenhotels, die die Schattenseite der "Freien Liebe" und der "Freie Drogen" zeigen. Hier ist die Grenze zu dem Ghetto "Sex, Drugs and even more Sex and Drugs". Hier kommen Dir Massen von Touristen entgegen, die auf der dunklen Seite Ihre Bedürfnisse sind. Junkies, die nur noch menschliche Fracks sind, bieten Dir die übelsten Drogen an. Diese Rotlicht Viertel verdient seinen Namen, denn sogar rund um die kleine protestantische Kirche, waren alle Fenster hell und rot beleuchtet und gastfreundliche Damen baten zum verweilen. Und wenn sehr viel los ist und alle Fenstergardinen zugezogen sind, kann sich das ganze rote Licht sammeln und die Kirche im grellen ROT erscheinen lassen. Das Böse und das Gute lagen ja schon immer zusammen in einem Bett.

"The Eagle" ist noch die gemäßigte schwulen Bar in der Warmoesstraat. Hier ist "Selbstverständlichkeit" das Motto. Ein langer Schlauch mit der Theke an der Seite, voller Männer. Männer die deutlich viel vom Leben schon hatten. Erst später bemerkt mann, dass die Treppen nach oben zum Billardraum führen. Und mann braucht noch mehr Zeit, um zu merken, dass die Selbstverständlichkeit mit der die Herrn hier stehen, einhergeht mit dem Umstand das auf diesem Tisch schon seit Jahren niemand mehr Billard gespielt hat. Sondern gerade ein Herr sich die Freiheit nahm, dort eine gelungene Imitation der "Schwarzen Acht ohne Bande in das Loch" zu geben.

Der Keller der Bar ist voller Wesen wie Koma-Patienten, die nur noch eine Sache in ihrem Stamm- und Großhirn haben. Wenn es oben noch den Charme einer verwesten Hafenbar hatte, ist es hier nur noch … sagen wir mal funktionell. Und wenn Ihr glaub, das Schwule die besseren Menschen sind… vergisst es. "Sexueller Rassismus" hat nichts damit zu tun, das die Bösen Heten uns Schwulen piesacken. Nein. Hier in diesem Kellerloch herrschte strenge Arpartheit. Hier die Aktiven -dort die Passiven. Dort die Großschwänzigen - dort die Kleinenschwänzigen. Und dieses Kastengrenzen werden auf's strengste gewahrt und verteidigt. Und es bedarf der Nacht und der Lust um diese wieder zu vereinigen.

Ich war noch zerbrechlich, weich, ja fast zögerlich, weil ich noch den Nachmittag mit dem Heulen in den Knien hatte. Plötzlich aber schaltete jemand nach meiner ersten Runde in dieser Spelunke einen Spotlight-Verfolger von 100.000 Watt an und leuchtete mir direkt meinen Weg zu IHM. Oder kam das Licht aus IHM? All das Schwarz der Wände, all das Dunkle der wenigen Lampen und nicht zu letzt, das wenig innere Licht der Männer hier, ihn umso mehr strahlen. Das Weiß seiner Augen, die strahlend saubere Kleidung, die Bewegungen und Körpersprache die jede Sekunde sagte dass er hier nicht hingehört, all das ließ in strahlen. In seinem Körperbau ganz klar eher ein Leichtathlet, als der Schwimmer oder Ringer. Eher zart und zäh als groß und breit. Ganz offensichtlich jemand der dem Norden Afrikas und dem Mittelmeer seine Geburt verdank.

Und ohne Worte und ohne Zeichen wussten wir beide, was notwenig war zu tun. Und so ging die Welt neben uns unter und der wildeste Arpartheits-Krieg tobte sich aus, rings um uns. Aber wir küssten uns, als ob es kein Morgen gab. Alle Klamotten blieben an ihrem Platz, keine Hand berührte ein Geschlecht. Nur langes intensives Küssen. Nach 20-jähriger Betriebszugehörigkeit in der Gay-Sex-Company und quasi als Großindustrieller in dieser Branche, kann ich sagen, dass diese Intensität beim Küssen nur möglich ist, mit einem vollständig Fremden oder mit jemand den mann liebt. Diesen Herrn kannte ich nicht, liebte ihn auch nicht. Aber nach einer gefühlten, paradiesischen Ewigkeit, passierte es. Ich kam. Ich kam mit allem was ich hatte. Mein ganzer Körper gab sich dem Orgasmus hin. Es ejakulierte aber mehr als nur mein Sperma. Mein Körper ließ die Kräfte der Gravitation unter sich und vereinigte sich mit meinem Geist. Und das alles nur von einem Kuss. Und das alles an diesem Ort der Dunkelheit. Diese Reinheit.
Ein Orgasmus der von Innen kommt und nicht von Außen bewirkt wird. Wie kann mann Reinheit besser beschreiben. Rein in Sinne von Essenz oder Konzentrat.

Während mein Geist und mein Körper sich wieder beruhigten fiel mir dieser Widerspruch erst auf in dem ich mich hier befand.

An diesem Platz der Wahllosigkeit und Auswechselbarkeit, wurde ich wählerischer und legte mich eindeutig auf einen Mann fest.

Diese Art von Bars waren für mich wie Sparziergang in der Wüste bei dem ich EINE Rose finde. Gehe ich sonst an Blumen vorbei und sehe und rieche keine, dann nehme ich diese EINE Rose um so 100 mal genauer in dieser Wüste/Bar wahr, als wenn ich in einem Blumengarten wäre.

WARUM?

Ich bin einfach von dieser Konzentration des Dufts der Rose gefangen. Mein Orgasmus-Küsser ist so ein Beispiel für eine solche Rose.

Menschen die als Einwanderer in fremden Ländern leben und sich integrieren sind nämlich wie Transvestiten. Beide sind wild entschlossen und machen alles um eine andere Art des Seins und des Wirkens zu erreichen die nicht ihre Herkunft entspricht. Sie studieren und beobachten maßlos Ihre Umwelt und Zielgruppe und imitieren diese nahezu perfekt.

Und so wie Transvestiten die Rolle einer Frau annehmen können und als Transgender sogar diese Rolle nicht mehr spielen sondern leben, so kann ein Einwanderer die Essenz einer Gesellschaft und Ihrer Wert und Verhaltensregeln sehen und leben.

Deswegen sind in den Niederlanden die Frau, die sich wie eine Lady benehmen, nicht die Holländerinnen sondern die Einwanderinnen aus der Karibik. Die mit Würde, Klasse und Charme das ultimative Bild der Dame geben.

Und schwule Einwanderer – wie zum Beispiel mein Orgasmus-Küsser – haben diese Fähigkeit auch. Sie saugen unsere Wunschwerte und perfekten Manieren auf, wie ein trockener Schwamm. Und wenn Sie diese Rolle dann nicht nur spielen sondern auch sind, dann sehe ich sie halt wie eine Rose in der Wüste.

Und dann kann ein Kuss auch nicht lügen.