26.04.2020

1001 Tag

Ich warte. Ich warte geduldig. Das kommt nicht so oft vor. Dazu stehe ich hier mitten im Lichtkegel eines einsamen lang gezogenen Neonstrahlers. 

Der Strahler hängt von einer Ecke der Rückseite einer Bowling-Bahn die direkt an den grossen Parkplatz grenzt. Es ist eine solche Ecke wo man Licht macht, in der Hoffnung das die Dunkelheit nicht gewinnt. 

Der Parkplatz ist zwar groß, aber nur spärlich mit unbewegten Blech belegt und quillt nicht nur deswegen voller grosser Stille über. 




Heute ist es zwar erst April, aber diese frühen Abendstunden sind noch voll mit der Wärme dieses Tages. Auch ich bin sehr voll mit Wärme. Fast schon Hitze. 

Der Parkplatz und die Bowling-Halle sind in tiefer Dunkelheit gehüllt.  




Ich verstecke mich nicht in der Dunkelheit, sondern präsentiere mich der Welt, indem ich mir von dem Spotlight des Neonstrahlers, eine Bühne zaubern lasse. 

Ich will gesehen und gefunden werden. Zwar nur von einem Pizzalieferanten. Aber der ist schwer verspätet und ich habe dadurch Zeit. 

Und so macht der Menschen-leere Parkplatz, die geschlossene Bowling-Bar, die in tiefe Dunkelheit getauchte Gegend und das Neon-Licht, das mich grausam umgibt und damit der Welt präsentiert, aus mir einen Schauspieler, der seinen Monolog auf einer Bühne hält. Macht mich zum Solisten in einem Ballet. Oder auch zur Lili Marleen, die geduldig wartet, das ihr Soldat aus der Kaserne zu ihr kommt. 



Es ist zwar keine Kaserne. Aber doch kommen aus den Häusern hinter der Bowling-Bar stattliche Herrn an mir vorbei. Das Haus ist seit zwei Monden mein Zuhause. Es ist randvoll mit Versuchungen. Zu flirten. Zu streiten. Zu lieben. Oder auch zu lernen. 

Ich hoffe das meine herausgehobene Position in diesem Lichtkegel, es dem Lieferanten leichter macht mich zu finden. 

Aber das ist eigentlich nur vorgeschoben. In dieser Stunde wo die anderen schon gegessen haben und ich auf mein Essen warte, will ich eigentlich viel lieber von den stattlichen Herrn gefunden werden. 



Und deswegen habe ich wahrscheinlich wirklich diesen Platz im Licht ausgewählt. Er liegt auf dem natürlichen Weg der Herren zu ihrer Raucherecke. 

Schon in der Schule war ich immer mit den Junx hinter der Turnhalle. Weder damals, noch heute, habe ich je an einer Zigarette gezogen. Aber Rauchen und dessen Umstände macht die meisten viel kommunikativer und viele sogar cooler. 

Das Licht ist grell und bündelt sich in einem Kegel. Die Bühne ist bereitet. Und Alexander schreitet mit einem respektvollen Schritt in den Lichtkegel zu mir. 





Alexander ist einer dieser Herrn. Ein Russe der einen ohne ein Wort zu sagen, alles fühlen lässt was Schostakowitsch, Malewitsch und Stravinsky mühsam sich ausgedacht haben. Ein Mann dessen tiefes Lachen in mir etwas zum schwingen bringt, was sonst nur selten schwingt. Mich vibrieren läßt. 

Sein starker Bart hindert mich nicht seine grossen Lippen zu bemerken. Und weil er wenig spricht, kann ich sie mir genau ansehen und sie bewundern und begehren. 

Kein Satz von ihm hat mehr als 5 Wörter. Braucht es auch nicht.  

So fühlt sich also die Russische Seele an. Die russische Weite. Die Russische Leere. 

Es ist nicht ganz Trauer, was er in den Augen hat. Es ist nicht ganz Melancholie. In seinen Augen ist nicht mehr und nicht weniger als das, was wir deutsche Weltschmerz nennen. Er nennt es Liebeskummer. 

Seine Kleidung unterstreicht sein Heterosexuelles Dasein, um es mal freundlich auszudrücken. Er schafft es mir den Atmen zu nehmen. An der Kleidung liegt es bestimmt nicht. Nicht wegen, sondern trotz seiner Kleidung ist mein Interesse entbrannt. Er hat es verdient, das man sich mit ihm unterhält. Oder habe ich es verdient, ihn was zu erzählen?

Zwischen den Sätzen mit nicht mehr als 5 Worten, macht er sich auf eine Weise sein Zigarette an, die James Dean als Mädchen aussehen lässt. Pure Präsenz. Pures sein. Pure Leiblichkeit. 

Und wir halten uns nicht lange mit Nebensächlichkeiten auf. Wir reden über ADAS, die Vor- und Nachteile von Speed gegenüber Kokain. Und warum er gerne alleine ist. Ohne seine Freundin. 







Auf jeden Fall schwingt jetzt wieder was bei mir. Und ich fange an auf seine Körpersprache zu achten. Der erste Teil des Wortes ist schnell geklärt. Sein Körper lässt es erahnen, das kein Russischer Bär stärker ist als er. Sein Sprache mit diesem Körper ist komplexer. Er tanzt. Seine Bewegungen sind schnell. Nie hart oder klar, eher vorsichtig und ohne eigene Position. Aber es ist als würde er zwei Choreografien gleichzeitig tanzen. Von zwei ganz unterschiedlichen Ballets. 

Ich und alle meine Inneren Anteile in mir siegen in einem gewaltigen Chor ein Ave Maria. Und ich und alle Anteile verliebten sich Hals über Kopf. Wir waren bereit beim Weltschmerz zu helfen. Willens alles zu tun um ein Lächeln in diese Augen zu zaubern. 

Nicht körperliche Liebe war es. Eher so was unverfängliches wie der Wind über russische Hügel und Felder. Der Wind der nicht aufhören kann zu wehen, aber auch nie ankommen kann. 

Er gibt mir mit seinem Blick die Aufforderung weiter zu erzählen. Seine Wortkargheit gibt mir die Erlaubnis den Raum mit meinen Gesichten zu füllen. Und seine Augen bitte um Hilfe bei seinem Liebesschmerz. 

Und ich erzähle meine besten Gesichten. Teste seine Toleranz und Offenheit mit meinen Schwulsten Anekdoten und wildesten Sex-Erfahrungen. Er sagt kaum etwas. 

Mit einem Satzfehler erobert er gleich mein ganzes Herz. Anstatt über sich zu sagen, das er mit seinem letzten Kommentar über seinen Wunsch eine Monogame Beziehung zu haben, sich wohl ein Eigentor geschossen hat. Sagt er, das er wohl sein eigenes Tor besitzen muss. 

Wer will schon Alexander Puschkin lesen, wenn er einen echten Alexander vor sich hat, der solche Sätze sagt. Allerdings auf einem Parkplatz.

Wer will schon Anton Tschechow und seine „drei Schwestern“ zuschauen, wenn Alexander mir mit einem Tattoo auf seinem Unterarm, mehr über seine Einsamkeit sagt, als alle drei Schwestern zusammen. 

Und dann passiert es. Ich steige aus mir aus und schaue von oben auf diese Bühne, die sich nur aus dem Licht des Scheinwerfers und der Dunkelheit darum ergibt. 

Und ich schaue auf die beiden Protagonisten von diesem Stücks, was dort im Licht gegeben wird. 

Der Tragische Held im Sinne von Schiller auf der einen Seite. Und ein Wesen, das ich wohl bin, aber sich nicht so verhält.  Ich sehe wie ein Engel auf diese beiden Fremden herunter, die diesen Moment genießen. Die Miteinander filtern ohne sich berühren zu wollen. Einfach weil ihre gegenseitige Fremdheit sie anzieht. 

SCHEIN werfen. Das ist die Aufgabe für das Licht im Theater. Der Neonstrahler war zum Scheinwerfer geworden. Zum Requisit das hilft den Schein zu waren. Den Schein entstehen zu lassen. 

Ich sah als Engel, das ich dort unten nicht ich war. Sondern nicht mehr und nicht weniger als die Summe der Gesichten, die ich aus meinem Leben erzählen kann.  

Ja, ich kann gut Geschichten erzählen. Ja, sehr gut sogar. Ich habe auch tolle Gesichten. Für jedes Gegenüber. Und zu jedem Thema. 

Aber warum reduziere ich mich auf meine Gesichten?

Als ich wieder als Engel in mich zurück kehrte, verabschiedet sich Alexander gerade von mir. Und bedankt sich mit dem Satz den ich selber gerade denke: ‚wie schön es ist, Menschen nahe zu sein, die aus einer anderen Welt kommen und davon frei berichten.‘ Ich ergänze - wenn auch nur in meinen Gedanken - das es mehr als Schade ist, das diese Nähe nur aus Worten besteht und nicht auch aus seinen Lippen. 

Sein kräftiger Bart geht zusammen mit seinen vollen Lippen zurück in die Dunkelheit. Und ich bleibe in dem noch grausameren Neonlicht zurück. 

Weil der Pizzalieferant immer noch nicht da ist, warte ich weiter. Weiterhin im Licht. Weiterhin umzingelt von der Dunkelheit. Und auch weiterhin am Weg der Raucher. 


Karim raucht nicht. Er hatte sich auch kein Essen bestellt. Aber jetzt tritt er zu mir ins Licht. Er ist mein Prinz aus dem Maghreb. So ein Gesicht das eines Adelsgeschlecht würdig ist. 

Seine Augen sind das Sinnbild von Interesse und gesunderer Neugier. Sie sind das Synonym für einen Burschen, der in die Welt hineingeht um sie zu erobern. 

Und jeder in meinem Alter weiss was eine ADO Gardine ist.  Karims Goldkante war am Ende seines T-Shirts. Und diese Goldkante schlängelte sich frei und deutlich auf dem festen Plateau seines Berberarsches. Diese Goldkante war mehr versprechend und mehr offenbarend als jede Nacktheit hätte je einlösen können.  

Neben seinen sensationellen Arsch war mir sein herrschaftliche Körperhaltung am Nachmittag schon aufgefallen. Beim Bogenschiessen kommt es ja unteranderen genau darauf an. Sein Stand war fest und erdverbunden. Sein Kinn gab der Hand, die den Bogen spannte, Richtung und Halt. Sein Lippen war immer wie zu einem Kuss nach vorne geschoben. Sein Blick war klar und fokussiert. Er konzentrierte sich auf die Zielscheibe, ich auf seine Ado-Goldkante. 

Jetzt hier auf der „Licht-Bühne“ sprechen wir nur kurz über das Bogenschiessen. Ich merke das er zwar mit mir spricht, aber keine wie auch immer gearteten Infos über sich mit mir teilt. So das unser intimes Treffen schnell vorbei ist. Und er zurück ins Dunkle geht.  Ich vibriere zwar nicht, aber ich fühle ein ziehen. Ein ziehen wie eine alte Sehnsucht. 

Mein Engel in mir, kann gerade noch bemerken das meine „Geschichten-Machine“ in mir, nur angeht, wenn je,and etwas mit mir teil vom sich. Das finde ich gut. Dann bin ich zumindest kein Soziopath und erzähle Gesichten um Nähe zu meinem Gegenüber herzustellen. 

Conrad tritt es gar nicht ins Licht. Er setzt sich auf den Bordstein und spricht von da aus mit mir. Seine Kleidung hält sich nicht nur heute strickt an drei Regeln. Nie ein Label. Nie eine Komplementär Farbe. Nie auffallen. 

Und so ist auch seine Persönlichkeit. Das einzige was in verrät ist sein Auto. Das ist zwar sehr weit weg geparkt. Aber ich habe ihn mal zufällig parken gesehen. 

Sein teueres Auto, seine understatement Kleidung und seine hervorragende Manieren lassen seh auf viel Geld schliessen, in seiner Familie. Auf sehr viel Geld. Und zwar soviel das es keiner Wissen soll. Karim und Alexander haben dunkle Haare. Conrad ist ein blonder Deutscher aus Düsseldorf. Alle drei sind hetero. 

Er ist so sehr in sich gefangen, das er gleich meine Muttergefühle weckt. Die aber von seinen heissen O-Beinen gleich in Zaum gehalten werden. Unsere Themen sind das Mysterium des Verhaltens von Frauen, warum wir immer die Falschen aussuchen und warum wir mit den richtigen nicht kommunizieren können. 

Und das Gespräch geht so gut und so tief das wir beide es wirklich geniessen. Und dann macht Conrad mir wohl das Angebot was ein Hetero Mann maximal machen kann zu einem Schwulen man. Mit mir würde er gerne mal in einer Sternenklaren Nacht zusammen LSD nehmen. 

Conrad verlässt mich wieder und geht auf sein Zimmer, weil unser Gespräch in inspiriert hat, seiner Ex-Freundin zu schrieben. 

Und wieder stehe ich im Licht des Scheinwerfers und in der Dunkelheit des Parkplatzes. Alleine. Geduldig. Ohne einen der drei Herren und ohne LSD. Aber mit meinen Gesichten. 

Und jetzt brauche ich keinen Engel mehr, der mir erklärt das ich wie Scheherazade bin. 

„Scheherazade ist eine der Hauptfiguren aus der Rahmenhandlung der persischen Geschichten von Tausendundeiner Nacht. Sie ist die Tochter des Wesirs des persischen Königs und Sultan Schahryar, der von seiner Frau mit einem schwarzen Sklaven betrogen wurde. Davon überzeugt, dass es keine treue Frau auf Erden gibt, fasst Schahryâr den Entschluss, sich nie wieder von einer Frau betrügen zu lassen. Deshalb heiratet er jeden Tag eine neue Frau, die er am nächsten Morgen töten lässt.

Um diesem Treiben ein Ende zu bereiten, lässt Scheherazade sich selbst von ihrem Vater dem Sultan zur Frau geben. In der Nacht beginnt sie, dem Sultan eine Geschichte zu erzählen, deren Handlung am nächsten Morgen unterbrochen wird. Neugierig auf das Ende der Geschichte, lässt Sultan Schahryâr sie am Leben.“ 

Dieser Mensch im Lichtkegel bin ich. Oder besser gesagt der Teil von mir, der wie Scheherazade eine Bauchtänzerin ist, die eine gute Gesichte erzählt. Und diese Geschichten haben immer nur die Funktion der nächsten Morgen zu erleben. Möglichst mit dem Persischen Sultan. 

Aber ganz offensichtlich bin ich keine Bauchtänzerin und auch nicht ganz vollständig. Den auch Scheherazade hatte die Geschichten nicht erfunden. Sie hatte sie jeden Tag von ihrer Schwester erzählt bekommen

  „Unterstützt wird Scheherazade dabei von ihrer Schwester Dinharazade, die sie jede Nacht um eine neue Geschichte bittet.“ Und dann dem Sultan vorgetragen hat. 

Wenn der Scheherazade der Teil von mir ist der mit den Menschen in Kontakt tritt. Welchen Teil von mir repräsentiert, denn dann Dinharazade?

Ich verlasse den Scheinwerfer-Kegel und gehe zurück in das Haus. 

Das Haus ist seit zwei Monden mein Zuhause. Es ist randvoll mit Versuchungen. Zu flirten. Zu streiten. Zu lieben. Oder auch zu lernen. 

Ich beschliesse, das es all das, ab sofort mal für Dinharazade sein soll. 

Und zwar am Tag und nicht in der Nacht auf dem Parkplatz. 

To be continued!

Teil 2 : Trunken in Nüchternheit. 
Teil 3 : Die wilden 16


19.04.2020

Der Baum und Don Quichotte

Erst habe ich es gar nicht gehört.  Es war ja auch kein Geräusch. Ganz im Gegenteil. Es war eine fühlbare Stille. 

Er lag unbeweglich und weit verzweigt queer über dem Weg. 

Ich hatte einen anderen Weg als sonst genommen. Bei meiner üblichen Jogging Strecke strebe ich immer nur den Scheitelpunkt an. Ein gut funktionierender Trick um mich für eine viel weitere Strecken zu motivieren.





Auch diesmal bin ich bis zum Scheitelpunkt gelaufen, also der Stelle wo sich zurücklaufen nicht mehr lohnt. Ich hatte aber schon die ganze Zeit Musik in meinem Ohr und Gefühle in meinem Bauch, die wie eine Vorahnung waren. 



Und jetzt stehe ich am See, um den ich so gerne laufe. Ich nenne ihn Otto. Den See. Ich rede viel mit ihm. Meistens schreie ich in an. Manchmal sagt er mir die Dinge, die ich nicht hören will. Manchmal die Dinge die ich übersehen habe. Manchmal zickt er und schweigt. Aber er ist immer eine Quelle der Wahrheit. 


https://drive.google.com/uc?export=view&id=1h2_-4s5Jj0DI-k20PCK7cR81F02FkND-




Um ihn herum gibt es zwei unterschiedliche Wege. Direkt unten am Wasser entlang. Oder ganz oben herum. Den dieser See ist ein freundliches Überbleibsel der Braunkohle Gewinnung. 


https://drive.google.com/uc?export=view&id=1V12dxa8_99-_mLE_XK3dhpwZWKPfdCFH

Aber anstatt dem untern Weg um um den See herum weiter zu laufen, bleibe ich stehen. Schaue auf die volle Länge des Sees und folge meinem spontanen Impuls den Weg rauf zu laufen. Ich wendete mich von Otto ab. Diese obere Strecke hatte ich mir bisher noch nie erlaufen geschweige den gesehen. 

Und kaum war ich oben, hatte auch das letzte Geräusch gestoppt. Mein Atmen. 

Ich stehe nun vor dem Baum. Und diese Sekunde ist wie Blitzschlag der mich trifft. Weder darum. Noch darüber. Geschweige dann drunter. Ich war unfähig der Baum hinter mir zu lassen. Mitten in einem Park war mein Weg wie ein Gefängnis, einer Zelle gleich. 

Es gab für mich nur einen Ausweg aus dieser Stille und dieser Zelle. Ich musst „in“ den Baum. 

Stille war bisher etwas was, das Aussen betraf. Ich hatte schon lange die Musik abgestellt. Vögel oder Spaziergänger waren weder zu hören noch zu sehn.  Und diese unnatürlich Stille war die Voraussetzung. 

Nur so war es mir möglich den Wind zu hören, der sich in den Ästen des Baums verspielt vergnügte. Nur so konnte ich das Echo dieses Windes, schon seit dem ich losgelaufen war spüren. Nur so konnte ich diesen Sirenen genüge tun und ihrem Lied folgen. Deren ewiges Lied nur in meinem Inneren zu hören war. 

Und jetzt geht es ganz schnell. Geschickt ignoriere ich die kleineren Äste  und stürze mich direkt auf einen der größeren Äste. Und ja. Ich fange an mit einem toten Baum zu kämpfen. Ich reiße wie ein Berserker einen Ast ab. Er ist morsch und meine unbändige Kraft läuft ins Leere und ich falle schmerzhaft auf den Arsch. 

Und einem gewissen Spanischem Ritter nicht unähnlich, nehme ich mir gleich den nächsten Ast vor. Wieder lege ich meine ganze Kraft rein. Diesmal ist der Ast alles andere als morsch. Ich schaffe es nicht ihn abzubrechen. Und deswegen reisst mir der Baum den Ast wieder aus der Hand und schlägt mir den Ast wie eine Peitsche auf einer meiner Rippen. 

Keine Frage, ich kämpfe mit dem toten Baum und ich verliere.  Aber warum kämpfe ich? Weder gibt es eine Dulcinea von Toboso für die es sich lohnt. Noch einen sexy Sancho Pansa. 

Die Antwort auf diese Frage schein mir nicht so wichtig zu sein. Ich ziehe es vor auch von dem dritten Ast und dem Baum gedemütigt zu werden. 



Dieser Baum liegt wie unüberwindbarer Zauberbaum vor mir. Und scheint mir immer überlegen. 

Jetzt war ich bereit. Jetzt wusste ich, das ich mit Kraft nicht weiter kam. Ich war entwaffnet. Stand nackt gleich in diesem Zauberbaum. Und vielleicht kommt gedemütigt sein, ja tatsächlich von Demut. 

Und da höheren die Windmühlen auf sich zu drehen. Das geben die Äste den Weg frei. Und voller Demut senke ich meinen Kopf und gehe durch die Lücke, die mir der Baum jetzt zeigt. Zögernd, zitternd und weinend schlüpfe ich durch die Lücke unter dem Hauptast des Baumes. Verängstigt harre ich der Dinge die der Baum jetzt mit mir machen wird. Der Dinge die hinter dem Baum auf mich warten. 

Nichts. Rein gar nichts passiert. 

Der Baum ist wieder einfach ein Baum. Ein grosses Stück Holz auf meinem Weg.

Ich berühr den Baum das letzte mal und fange an zu laufen. 

Schnell zu laufen. Sehr schnell. Schneller als meine Tränen. 

Sie höhen nicht auf. Den sie wissen, was ich fühle: „ich werde den Baum nie wiedersehen.“

Keine zwei Tage später traue ich mich wieder die Strecke zu laufen. Ich suche verzweifelt die Stelle wo der Baum liegt. Weder liegt er auf dem Bauch. Noch kann ich ihn unter den anderen gefällten Bäumen identifizieren oder finden. 

Der Zauberbaum ist weg. Für immer. 

Ich nenne ihn Amfortas. Seine Schmerzen waren meine Schmerzen gewesen. Seine Tod ist aber nicht meiner. 



In schreibe diesen Text an Ostern 2020. 

In Liebe zu meinem Vater.