02.07.2008

Das gelobte Land von Dalliah Lavi. (2. Reisebeicht aus Israel)

Das israelische Volk ist ja das auserwählte Volk. Weil es nach Jahrzehnten des Wanderns in der Wüste und dem damit verbunden Leid und Entsagungen, im Land wo Milch und Honig fließt, angekommen ist. Es wird von Gott für seine Treue mit dem gelobten Land belohnt. Das hat uns ja alles schon Nany Fine mehrmals beigebracht.

Mir ist heute das selbe passiert. Wenn mir der geneigte Leser diesen gewagten Vergleich durchgehen lässt, will ich das Wunder gerne etwas später erklären, wenn ich gleich über das "LIMA LIMA" schreibe.

Heute hat Israel Geburtstag. Israel wird 60 Jahre alt. Und das ganze Land feiert das Überleben und Behaupten gegenüber seinen Nachbarn und die Schaffung seiner Nation.

Ich stehe auf der Terrasse eines Penthouses, mitten im angesagten "Neveh Tzedek"-Viertel von Tel Aviv. Hier auf der privaten Party von einem Deutschen schwulen Pärchen, das aus Berlin nach Israel ausgewandert ist, feiern etwa 30 jüdische, junge Mega-Schnuckels den Geburtstag von Israel.

Von unseren Plätzen aus, sehen wir das Feuerwerk und die Lasershow ganz besonders gut. Aber keiner achtet darauf. Denn es ist Prime-Time. Nicht im Fernsehen, sondern hier auf der Party. All die gutaussehenden, sympathischen jungen Männer sind in Heiratsstimmung. Um es mal mit "Sex in the City" zu sagen: alle verhalten sich wie Charlotte, die fixiert darauf ist, "Mr. Right" kennen zu lernen. Und da es erst kurz nach 23 Uhr war und noch keiner richtig betrunken war, war es noch zu früh, dass Sie Ihre Erwartungen herunter schraubten zu "Mr. Maybe" oder "Mr. Tonight".

Es gab nur 4 Männer, die 40 oder älter waren. Ansonsten waren es nur 20-something Junx. Als ich das Gastgeber-Pärchen darauf anspreche, bekomme ich allen ernstes die Antwort, dass sie sich die gute alte jüdische Sitte des Kuppelns als Lebensaufgabe für die Youngsters gemacht hatten. Denn wenn es in NYC schon schwer war einen schwulen Partner zu finden fürs Leben, war es das in dem nur 400.000 Menschen großen Tel Aviv erst recht. Und so machten Sie halt öfters und ganz selbstlos, kleine Dinner-Parties für die Nachwuchsschwulen, so dass Mann sich zwanglos kennen lernen konnte.

Ich war hier, wieder total visuell überfordert, wie während meines ganzen Tel Aviv Aufenthalts. Etwa 30 anwesende israelische Junx hätten alle ohne Ausnahme, meinem persönlichem Lieblings-Computer-Programm entsprungen sein können. Das wäre das Programm, das ich selber nach eigenen Vorlieben entwickeln würde, wenn es dann endlich mal das Holodeck aus Raumschiff Enterprise für den Hausgebrauch geben würde.

Und so kam es, dass während ich mich an der Salatbar bediente, bereits mehrer Speed-Dating Termin hatte und bei den Cocktails, bereits die Hälfte der Junx kennen gelernt hatte.

Immer mit demselben Ergebnis. Starker Anfang und noch schnelleres Ende. Kaum verstehen Sie, dass ich aus Deutschland bin, läuft IHR ganz eigenes Holodeck-Programm ab und ich sehe ihre Augen sich aus Vorfreude verdrehen. Sie drehten Ihre Körpersprache und Hormone auf Maximum. Aber bereits nach der zweiten Frage und Antwort werd ich zu Luft: "Ach, Du hast einen Freund!!!!!"

Und so kam es dann, wie es kommen musste. Ich stand mit dem älteren prätentiösen Pärchen und dem zweiten Gast über 40, alleine mit einem Cocktail in der Hand.

Der andere Gast war als einziger im Anzug und recht formell angezogen. Er war wohl auf einer der vielen offiziellen Staatsempfänge zum Geburtstag gewesen. Mann kam ins Gespräch und es stellt sich heraus, dass er hervorragend Deutsch sprach und so etwas wie Ulrich Wickert für Israel war.

Keine 10 Minuten später schauten uns die 30 Junx mit großen unverständlichen Augen an und erklärten uns zu Aussätzigen.

Denn der Ulrich Wickert Israels, der sonst die Bombenattentate und Raketeneinschläge der Hamas dem Land verkündigt, entdeckt das ich aus Köln komme. Seit 15 Jahren fährt er jedes Jahr nach Köln und feiert dort 5 Tage nonstop Karneval.

Ohne es zu wissen habe ich wohl jahrelang Schulter an Schulter in der Brennerei Weiß mit ihm Karnevalsschlager gesungen und gegrölt.

Ein Kölner kennte da ja keine Hemmungen und sofort sangen wir gemeinsam in die israelische Geburtstagsnacht hinaus. die Kölner Evergreens: "Kölsche Mädche haben spitze Bützchen aan" und " Drink doch ene met. " und auch " Denn wenn et Trömmelche jeet, dann stonn mer all parat, ". Und als uns nach vielen Songs, das Herz aufging und unsere Stimme, langsam kietschten, schaute mir "Ulrich" fest in die Augen und sagte mit leiser, aber gefasster Stimme, dass seine zweite größte Liebe den Chansons von Dalida gehört. Ich denke mir noch kurz, dass das wohl die Stimme und das Gesicht war, das er hatte als er im Fernsehen die Nachrichten verlesen hat, das der Staatspräsident von Israels gerade abgesetzt werden sollte wegen sexuellen Übergriffen an seinen Mitarbeiterinnen.

Aber schnell fasst ich mich und gestand im Gegenzug, das ich vor weniger als einer Woche in Köln beim Fabulous Cup meine Eiskunstlaufkür zu einem Chanson von Dalida getanzt hatte. Ohne etwas zu sagen oder ein Zeichen zu geben, stimmten wir beide gleichzeitig zusammen an und sangen ""Ein Schiff wird kommen!".

Wir lachten bis uns der Atem wegblieb und freuten uns an meinen Details zu dem Outfit und der Kür.

Und mit großen ernst eines echten Fans gestand er mir, dass er am nächsten Tag nach Paris fliegen würde zu einem Gedächtnis-Konzert für Dallida.

Vor lauter singen und lachen war es spät geworden. Und zwar so spät und so viele Cocktails später, dass jetzt nicht mehr Mr. Right-Zeit, noch Mr. Maybe-Zeit war. Es war Mr. Tonight-Zeit.

Und deswegen fingen die 30 Junx auch an, zusammen mit "Ullrich" und mir, einen Tribut an das Israelische Chanson zu geben. Wir sangen alle zusammen "Jerusalem" von Dalliah Lavi.

Und die Nacht und Tel Aviv verzieh mir das schlechte singen. Und auf einmal war ich auch nicht mehr Luft für die Junx. Ach ja, es war ja jetzt Mr.Tonight-Zeit.

Aber als Ramschware wollte ich in dieser Nacht nicht durchgehen. Ich wollte keinen der "Charlotte's" haben.

So stolz bin ich bei leibe nicht immer. Aber mir war an dem Abend davor etwas passiert, dass mich mehr ausgefüllt hatte, als schneller Sex mit jungen knackigen Israelis es vermocht.

Ups. Habe ich das geschrieben? Ja, aber so war es.

Denn ich hatte es was erlebt was ich schon l a n g e nicht mehr erlebt hatte. In den 25 Jahre die ich jetzt ausgehen zum Tanzen und Spaß haben, habe ich mich fast immer als Einzelgänger und "das letztes Einhorn" empfunden.

Es gab einfach einen Mix von Begebenheiten, die mich dazu gemacht haben. Gehen andere immer mindestens zu zweit oder in der Gruppe weg, ging ich gerne unabhängig.

Konnten andere den Druck, des sich präsentieren und des gesehen werden, nur schwer alleine ertragen, spürte ich ihn gar nicht.

Rotteten sich die einen in Gruppen rund um Alkohol oder Drogen zusammen, wollte ich das nicht.

Wollten die einen durch Musik ohne Rhythmus und ohne Stimme sich "abspacen", wolle ich im hier und jetzt sein, weil ich eine fette schwarze Frau schreien hören will, die sich nicht scheut, so etwas altmodische wie einen Refrain zu singen.

Und in der Summe war ich damit dann außen vor. Ich war wie vor einer Wand aus Glas. Ich war mit ihnen im selben Raum, aber erlebt etwas anderes. Fühlte keine Verbindung. Fand keine echten Zugang.

Und dann bin ich ja auch noch konservativ genug, um die Ansicht zu haben, dass das Ausgehen und Tanzen gehen, einem Energie geben sollte. Und nicht einem die Energie aussaugen sollte.

Daher kommt dann auch die seltsame Einstellung von mir, die besagt: "Good music: I dance. No good music:I do not dance!"

Eine Selbstverständlichkeit? Nein. Denn wenn eine Party nicht gut ist, ich keine gute Stimmung habe, ich gerade keine Energie habe oder die Musik mir nicht gefällt, gehe ich einfach nach Haus. Die anderen bleiben dann und werfen eine Pille ein.

Und da das heute der Mainstream ist, ist meine Partywelt nicht mehr wirklich da. Das hat dann zu so seltsamen Stilblüten geführt, wie das ich in London auf der angesagtesten Party der einzige Tänzer war, der auf der zweiten Dance-Floor mit Vocal-Music tanzte.

Oder das ich in Brüssel bei der "Demenz" (fg) auf einer Tanzfläche von 1x3 Meter der Einzige bin, der tanzt und von der langen Schlange, die an mir vorbei Richtung Darkroom geht, als Fossil angesehen werde.

Das tat alles weh.

Aber jetzt war ich ja in Israel. Dem gelobten Land. Es ist Montag und ich gehe ins "LIMA LIMA" auf der Lilinblom Street. Nicht weit entfernt von der Tanzbar "minus 1". Das ist ein kleiner Tanz-Club, wo nicht mehr als 250 Männer passen und wo der ganze Abend ein wilder Mix aus Klassiken der Motown Ära, aktuellen R&B und Pop gespielt wird. Nettest Herren, die alle Tanzen, alle ohne Drogen und alle mit einem echten Lächeln im Gesicht.

Ich tanzte mich in den 7. Energie-Himmel und trank anschließend in dem dazu gehörigen Hinterhofgarten ein Bier im freien. Asaf, mit dem ich mich an diesem Abend verabredet hatte und den ich aus dem Blauen-Internet kannte, stellt mir der Reihe nach die Junx vor, mit den ich eben noch wortlos auf der Tanzfläche getanzt hatte.

An diesem Abend lag ich alleine im Bett und war glücklich. Ich war voller Energie und hatte keine Beule an der Stirn wegen einer Glaswand, gegen die ich gelaufen war.

Ich war in Kontakt mit mir und den Junx gewesen.

Danke Tel Aviv.