Ich trage meine Badehose um den Hals und die dunkle Nacht
auf meinem Kopf.
Die Nacht als Hüterin von allen Tiefen und Unklarem bedeckt
hier knapp 15 Männer. Alle lauern im Wasser der Schwefelquellen von Saturnia im
Herzen der Toskana. Kurz nach Mitternacht liege ich hier in diesem natürlichen
Becken dieser Quelle in knapp 30 Grad warmen Wasser. Wenige Meter über uns
entspringt die Quelle und wird erst mal von einem kleinen Wasserfall und einer
Art kleiner Bucht gefolgt.
Im Wasser aber am Rande dieser Bucht sitzen, stehen,
schwimmen und schnaufen Männer. Schwule Männer. Die hoch schauen in einen
Himmel ohne Wolken und einen vollen Mond sehen, der kitschig von Schilf
eingerahmt wird.
Wie immer bei solchen Gelegenheiten, wo die Scham und die
Ungewissheit über die anderen Gefühle obsiegen, herrscht große Stille. Jeder
versucht den Schutz der Nacht nicht durch Lärm zu zerstören.
Die Bucht in an manchen Stellen nur ein Meter tief, manchmal
zwei Meter, manchmal nur 30 Zentimeter. Trotzdem schaffen es fast alle ihren
Körper und ihre Köpfe so im Wasser zu verstecken, dass nur die Augen zu sehen
sind.
So machen es eigentlich Krokodile. Und genau so laueren alle
Junx & Männer wie Krokodile knapp oberhalb der Wasseroberfläche auf ihre
Opfer. Manche warten geduldig in einer bestimmten Ecke. Still und regungslos.
Andere bewegen sich in Zeitlupentempo durch das dunkle Nass.
Beim Mann gibt es ein simples digitales System, ob er etwas
geil findet oder nicht. Mein System ist auf Null gestellt. Ich finde das
einfach nicht geil hier. Es ist eigentlich alles da. Unbelassende Natur, die
Nacht, fremde kleine Italiener, warmes Wasser. Aber all diese guten Zutaten
werde für mich nicht zu einem guten Gericht, geschweige denn zu einer
verlockenden Mahlzeit.
Mein Bild ist ganz anderes. Ich sehe Männer die sich wie
kleine pubertierende Junx an Jugendherbergs-Sex ergötzen. Mehr das
Überschreiten eines Verbots genießen. Als den eigentlichen Akt selber.
Schwefel-Wasser hat keinen guten Duft, um es mal vorsichtig auszudrücken. Aber
selbst dieser intensiver Gestank nach Schwefel wurde überlagert von dem Eau de
Toilette des „Verbotenen“.
Nun aber ist weder Sex, auch der zwischen Männern, noch
sonstige schwule Abenteuer „verboten“. Und das hatte mein digitales System auf
Null gestellt. Dieses Eau de Toilette mochte ich nicht. Ganz und gar nicht. Es
stinkt viel mehr für mich als der Schwefel.
Deswegen lachte ich umso mehr als die Freundin die mit mir
zu den Quellen gekommen ist, aber im Hetenbecken rumgelungert hatte, jetzt nach
mir suchte. Und zwar mit einer Taschenlampe. Sie hält das Licht mitten in das
Junx-Becken.
Und schon sieht sie aus wie eine Herbergsmutter und alle
Krokodil tauchen unter.