17.12.2003

Nachtfalter. (2. Reisebericht aus Berlin Dez '03)

Es gibt nichts was mich mehr interessiert als Menschen.

Deswegen sammele ich sie auch. Besser gesagt Ihre Gesichter und Physiognomie. Und wenn ich ganz genau nachdenke, sammle ich eigentlich meine Reaktion auf sie.

Und wie ein Sammler von Schmetterlingen gehe ich in den Dschungel um die schönsten und seltensten Exemplare zu finden. Mein Dschungel ist die Party, das Event. Ein besonders schöner Dschungel ist Berlin. Seine Nachtfalter haben eine besondere Faszination für mich.

Schlaglichter gleich, sehe ich sie und mache mir meine Vorstellungen über das Exemplar. Versuche aus dem Gemisch von Physiognomie, Körpersprache, Sprache, Kleidung, Bewegung und Verhalten, Freunde und des Tanzens des Nachfalters, mir vorzustellen, wie der Falter so im allgemeinen und im speziellen ist.

Was ich an ihm mag und was ich an ihm ablehne. Wo meine Persönlichkeit ihn bejaht, wo sie ihn ablehnt, ihn begehrt, ihn verhöhnt. Um ja viel über mich zu lernen.

Gegensätze waren ja schon bei Heraklit die Elemente einer alles verbindenden Wirklichkeit: „Die Gegensätzlichkeit ist nicht das letzte; vielmehr sind die Glieder der Gegensätze aufeinander bezogen.“ Alles und jeder lehrt Heraklit sei: „... durch ihr gegensätzliches Verhalten miteinander zusammengeführt.“

OK, mir ist klar das der alte Grieche Heraklit nicht unbedingt mal so mit in den Dschungel, sagen wir mal ins GMF in Berlin, kommen kann. Aber recht hat er.

Aber hierzu passt auch die griechische Sage von der Sokrates bei seinem berühmten Abendessen erzählt. Er erklärt das Wesen des Sexuellen Verlangens:

Anfangs gab es drei Geschlechter, das männliche, das weibliche und ein mannweibliches, und alle waren kugelrund. Sie verhielten sich anmaßend gegen den König der Götter, der sie in der Weise zu strafen gedachte, dass er jedes in zwei Hälften zerschnitt. So das alle ihr Leben lang auf der Suche nach der anderen Hälfte sind.

Und Liebe ist nichts, als das Finden dieser, seiner eigenen Hälfte. Bei 6 Milliarden Menschen auf der Erde: kein leichter Job.

Und mann machte es sich ja auch gerne selbst schwer. Wer zum Beispiel mal ins GMF zur Party in Berlin geht und anthropologisch-soziologische Studien betreibt, wird erst mal das Prinzip der Abgrenzung finden. Die, die ins GMF gehen und die, die nicht gehen. Die mit T-Shirt, die ohne eins. Die mit Drogen und die ohne. Die Jungen und die mhhh... nicht mehr ganz Jungen. Die, die Trainiert sind und die, die nicht trainieren.

Alle wollen sie das Gleiche. Aufmerksamkeit, Liebe, Sex oder welche Form auch immer eines Beweises der eigenen positiven Existenz.

Nehmen wir mal zum Beispiel den Herrn X. Jeden Sonntag ist er im GMF. Kaum 175 cm groß. Immer im schlecht sitzenden, schwarzem Jackett. Er durchstreift den Dschungel, pardon GMF, um sich zu paaren. Nun er ist aber der einzige der immer und ständig, zwei Bodyguards dabei hat. Warum hat dieser Berliner wie Wittney Houston in „Bodyguard“ einen Leibwächter? Und warum gleich zwei? Und warum tragen sie noch schlechtere Anzüge als er?

Reich kann er nicht sein. Dazu sind alle drei zu schlecht angezogen. Von offizieller Bedeutung kann er auch nicht sein, vom Land gestellte Bodyguard sind nicht türkischer Abstammung. Auf Schritt und Tritt folgen sie ihm. Er flirtet. Sie stehen dahinter. Er geht aufs Klo. Sie auch. Die einen sagen es sind Morddrohungen des Ex. Die anderen sagen es ist ein Balz-Ritual aus dem Osten. Wieder andere sagen es ist der Neffe des Zigaretten-Paten von der Ost-Mafia. Nur wissen, tut es keiner.

Als zweites Prinzip, fällt das Prinzip der Abschottung auf. Peinlich genau wird darauf geachtet, das keine Falter, dem anderen Falter, durch Kleidung, der Kunst des Faltertanzes oder durch ein Lächeln, auch nur einen Hauch von Ermutigung oder sogar Eigeninitiative, zur Kontaktaufnahme, gibt. Alle sind pure Risikovermeider. Ein Nein, könnte ja tödlich sein. Zu mindestens gesellschaftsmüßig.

Alle schmücken sich für die Parade im Dschungel, alle gehe sie hin, doch Keiner nimmt Kontakt von sich aus auf. Es ist wie eine Messe, wo sozialer Stacheldraht die Messebesucher und Aussteller trennt.

Das dritte Prinzip überträgt die Regeln der Werbung auf den Dschungel. Entweder richtet sich der Falter auf die Bühne ins richtig Licht und versucht zum Star der Schauspieltruppe zu werden (Imageing) oder er glaubt den Preis nach oben treiben zu können, indem er den Dschungel allein durchstreift und „hard-to-get“ spielt (Angebotsregulierung).

Um dem vierten Prinzip gerecht zu werden, heißt es, sich nie festzulegen. Nie zu sagen, ja das ist DER Falter! Es könnte ja ein noch schönerer, noch größerer, wo sein.

Sokartes hat den Giftbecher freiwillig genommen. Er hat jeden vorgeführt das er eigentlich nichts weiß und alles Wissen, auch um einen selbst nur wie eine Taschenlampe im Nebel ist. Er hat alle und jeden mit seiner Frage nach dem, was mann wirklich weiß, genervt.

Ich will den Becher nicht freiwillig trinken. Aber ich will ein Utopia, wo der Nachtfalter auf den anderen Nachtfalter zugeht und sagt: „Hey du gefällst mir, lass uns ein wenig zusammen durch den Dschungel fliegen.“.

Wie soll ich sonst den anderen Teil meiner Seele finden?

Berlin, 17.12.2003

Nachtfalter. (2. Reisebericht nach Berlin Dez '03)

Es gibt nichts was mich mehr interessiert als Menschen.

Deswegen sammele ich sie auch. Besser gesagt Ihre Gesichter und Physiognomie. Und wenn ich ganz genau nachdenke, sammle ich eigentlich meine Reaktion auf sie.

Und wie ein Sammler von Schmetterlingen gehe ich in den Dschungel um die schönsten und seltensten Exemplare zu finden. Mein Dschungel ist die Party, das Event. Ein besonders schöner Dschungel ist Berlin. Seine Nachtfalter haben eine besondere Faszination für mich.

Schlaglichter gleich, sehe ich sie und mache mir meine Vorstellungen über das Exemplar. Versuche aus dem Gemisch von Physiognomie, Körpersprache, Sprache, Kleidung, Bewegung und Verhalten, Freunde und des Tanzens des Nachfalters, mir vorzustellen, wie der Falter so im allgemeinen und im speziellen ist.

Was ich an ihm mag und was ich an ihm ablehne. Wo meine Persönlichkeit ihn bejaht, wo sie ihn ablehnt, ihn begehrt, ihn verhöhnt. Um ja viel über mich zu lernen.

Gegensätze waren ja schon bei Heraklit die Elemente einer alles verbindenden Wirklichkeit: „Die Gegensätzlichkeit ist nicht das letzte; vielmehr sind die Glieder der Gegensätze aufeinander bezogen.“ Alles und jeder lehrt Heraklit sei: „... durch ihr gegensätzliches Verhalten miteinander zusammengeführt.“

OK, mir ist klar das der alte Grieche Heraklit nicht unbedingt mal so mit in den Dschungel, sagen wir mal ins GMF in Berlin, kommen kann. Aber recht hat er.

Aber hierzu passt auch die griechische Sage von der Sokrates bei seinem berühmten Abendessen erzählt. Er erklärt das Wesen des Sexuellen Verlangens:

Anfangs gab es drei Geschlechter, das männliche, das weibliche und ein mannweibliches, und alle waren kugelrund. Sie verhielten sich anmaßend gegen den König der Götter, der sie in der Weise zu strafen gedachte, dass er jedes in zwei Hälften zerschnitt. So das alle ihr Leben lang auf der Suche nach der anderen Hälfte sind.

Und Liebe ist nichts, als das Finden dieser, seiner eigenen Hälfte. Bei 6 Milliarden Menschen auf der Erde: kein leichter Job.

Und mann machte es sich ja auch gerne selbst schwer. Wer zum Beispiel mal ins GMF zur Party in Berlin geht und anthropologisch-soziologische Studien betreibt, wird erst mal das Prinzip der Abgrenzung finden. Die, die ins GMF gehen und die, die nicht gehen. Die mit T-Shirt, die ohne eins. Die mit Drogen und die ohne. Die Jungen und die mhhh... nicht mehr ganz Jungen. Die, die Trainiert sind und die, die nicht trainieren.

Alle wollen sie das Gleiche. Aufmerksamkeit, Liebe, Sex oder welche Form auch immer eines Beweises der eigenen positiven Existenz.

Nehmen wir mal zum Beispiel den Herrn X. Jeden Sonntag ist er im GMF. Kaum 175 cm groß. Immer im schlecht sitzenden, schwarzem Jackett. Er durchstreift den Dschungel, pardon GMF, um sich zu paaren. Nun er ist aber der einzige der immer und ständig, zwei Bodyguards dabei hat. Warum hat dieser Berliner wie Wittney Houston in „Bodyguard“ einen Leibwächter? Und warum gleich zwei? Und warum tragen sie noch schlechtere Anzüge als er?

Reich kann er nicht sein. Dazu sind alle drei zu schlecht angezogen. Von offizieller Bedeutung kann er auch nicht sein, vom Land gestellte Bodyguard sind nicht türkischer Abstammung. Auf Schritt und Tritt folgen sie ihm. Er flirtet. Sie stehen dahinter. Er geht aufs Klo. Sie auch. Die einen sagen es sind Morddrohungen des Ex. Die anderen sagen es ist ein Balz-Ritual aus dem Osten. Wieder andere sagen es ist der Neffe des Zigaretten-Paten von der Ost-Mafia. Nur wissen, tut es keiner.

Als zweites Prinzip, fällt das Prinzip der Abschottung auf. Peinlich genau wird darauf geachtet, das keine Falter, dem anderen Falter, durch Kleidung, der Kunst des Faltertanzes oder durch ein Lächeln, auch nur einen Hauch von Ermutigung oder sogar Eigeninitiative, zur Kontaktaufnahme, gibt. Alle sind pure Risikovermeider. Ein Nein, könnte ja tödlich sein. Zu mindestens gesellschaftsmüßig.

Alle schmücken sich für die Parade im Dschungel, alle gehe sie hin, doch Keiner nimmt Kontakt von sich aus auf. Es ist wie eine Messe, wo sozialer Stacheldraht die Messebesucher und Aussteller trennt.

Das dritte Prinzip überträgt die Regeln der Werbung auf den Dschungel. Entweder richtet sich der Falter auf die Bühne ins richtig Licht und versucht zum Star der Schauspieltruppe zu werden (Imageing) oder er glaubt den Preis nach oben treiben zu können, indem er den Dschungel allein durchstreift und „hard-to-get“ spielt (Angebotsregulierung).

Um dem vierten Prinzip gerecht zu werden, heißt es, sich nie festzulegen. Nie zu sagen, ja das ist DER Falter! Es könnte ja ein noch schönerer, noch größerer, wo sein.

Sokartes hat den Giftbecher freiwillig genommen. Er hat jeden vorgeführt das er eigentlich nichts weiß und alles Wissen, auch um einen selbst nur wie eine Taschenlampe im Nebel ist. Er hat alle und jeden mit seiner Frage nach dem, was mann wirklich weiß, genervt.

Ich will den Becher nicht freiwillig trinken. Aber ich will ein Utopia, wo der Nachtfalter auf den anderen Nachtfalter zugeht und sagt: „Hey du gefällst mir, lass uns ein wenig zusammen durch den Dschungel fliegen.“.

Wie soll ich sonst den anderen Teil meiner Seele finden?

Berlin, 17.12.2003

16.12.2003

Concorde. (1. Reisebericht aus Berlin Dez '03)

Dieses Flugzeug bringt alle Passagiere in nur einer einzigen ersten Klasse, in überschall, in alle Welt.

Tim Fischer schenkt uns so ein Flugzeug. Sein Programm „Yesterday once more...“ fliegt als “…Best off” von Song zu Song, von Zeit zu Zeit und von Land zu Land.

Er nimmt uns mit in die erste Klasse. Seine Bordcrew ist eine wunderschöne Bande voller Gnome, wie noch nicht mal der Sommernachtstraum ihn uns zeigt. Sechs Gnome. Ihre Uniform ist die Fabe Schwarz. Und um Ihren Herrn gleich zu tun, tragen Sie alle Ohren wie ein Gnom.

Da ist der Geiger, im vollen schwulen Ornament. Engstes schwarzes ärmelloses Shirt, links und rechts Handgelenksleder, eine Zimmermannshose. Und für das Drama die Geige auf der Schulter. Kein Zigeuner an Bord der Concorde könnte mehr Drama uns geben.

Die Guitare neben ihn ist ein blasser, blutleerer Teufel. Aber nur dem äußeren nach. Seine Seiten schwingen alle hier an Bord.

Und in der Mitte: Tim, der Fischer. Einem Purser gleich, sorgt er sich um alle und jeden. So schmal, so groß, so wenig Kanten. Ein Strich nur. Ein Strich, der wie ein Drei-Tage-Seminar zum Thema Körpersprache daher kommt.

Am schwarzen Overall ist der Elvis-Stehkragen die einzige Erhebung. Dick ist alleine der Gürtel, als Hüftenersatz. Aus Silber so massiv, das Elvis ihn am liebsten auf seinem Hawaii-Konzert getragen hätte. Mit dem Po-langem-Haar sieht Tim aus, wie eine Melange aus Liv Tyler als Fee in „Herr der Ringe“ und dem tollpatschigen Ureinwohner namens Jar Jar Binks aus Episode One/Star Wars.

Und diese Bandbreite aus tiefer Mystik und entwaffnender Dummheit serviert er uns an Bord der Concorde „Tippi-das-Zelt“.

Da ist er deutsch romantisch beim „... großen schwarzen Vogel“, wo seine gesungene Liebe zum Tod, jeden das Blut an Bord gefrieren lässt. Dann wieder sozial dumm, als Fräulein Kreuzworträtsel. Uns mahnend das Wissen nie die Kunst der Menschenkenntnis ersetzt. Und dann wieder kalt und praktisch, wenn er vom Parfüm singt. „Das Parfüm mit dem Namen Hitler“. Wo jeder noch in der letzten Reihe der Concorde staunt, wie Adolfs Rhetorik tief, viele zu tief, in unserem kollektiven Ohr sitzt.

Die Gnomen-Bande hat auch einen Klavierspieler. Von der Statur her klein und dick. In Gesten arm. So das alles in seinem Gesicht statt finden kann. Ungeeignet und deswegen für gut befunden, als Primaballerina auch mal in Tüll zu tanzen.

Der Keyboarder ist der Pirat der Gnome. Das schwarze Tuch zum Kopftuch gebunden, erobert er jeden Passagier ganz schnell. Bei dem Drummer kann ich nichts sagen, er ist der Zwerg der Gnome. Sehen tue ich ihn nicht, doch hören sehr gern. Der Bass ist wie die gleichbleibende Turbine des Flugzeuges, die uns so lange wie wir sie hören, beruhigt schlafen lässt.

Her Fischer steuert die Concorde in vielen Sprachen, außer Deutsch, besser gesagt Deutsch-Österreich. Da ist sein Himmel gleiches Französisch. Und da ist Englisch, Italienisch und Türkisch. Und über all wird aus Tim ein Landeskind und doch bleibt er sich selbst. Die Stimme ist immer gleich und immer anders. Sein Statement: „Ich glaube and die Liebe, nicht an die Treue“ bleibt er gesanglich als zu treu.

Nach der Pause sind die Gnome und Herr Fischer in einheitlichem Weiß auf der Bühne. So das Reihe 1-12 und selbst Reihe 24-34 merkt, das die Kostüme die Leinwand sind für ein grandioses Licht, das jede seiner Rollen, jedes Lied, den perfekten Rahmen gibt.

Mit dem selben Overall, nur in Weiß, mit jetzt kurzem Haar, sagt Tim: „Entweder denken oder singen!“ Und so gibt es für uns Passagiere auch nur fühlen und kein Denken. Nach diesem erstklassigen Service, wollen alle ihn nicht nur von „9-10“ wie in seinem schönsten Liebeslied, lieben. Sondern wir gehen alle mit dem Lied im Kopf nach Hause: „Ich habe ins Paradies geschaut“

Berlin, 16.12.2003