11.09.2020

Die wilden 16.

Ein Moment scheint uns immer lang. Ein Wimpernschlag hat fast keine Zeit. Unser Körper weiss nicht was Zeit ist, also auch nicht wie lange eine Sekunde ist.


Manchmal merken wir, wie schnell das ist, wenn wir den Moment festhalten wollen und die Zeit anhalten wollen.


Für den Kuss der nicht vergehen soll. Für die Zärtlichkeit die gerade so gut tut. Oder für das Schöne, was wir gerade betrachten. Oder das Schöne was wir gerade Essen wollen. Oder das Schöne was wir gerade begehren.


Manchmal ist diese eine Sekunde wie eine Ewigkeit. Wenn wir Angst haben, was nach dieser Sekunde passieren wird. Zum Beispiel, wenn man auf den EINEN wichtigen Anruf wartet. Oder in der Pause in der sich der Andere entscheidet, ob er auch antwortet mit: „Ich liebe dich!“




Aber das sind beides Momente, wo Zeit für einen wichtig wird, für Gründe die Ausserhalb von einem liegen.


Was ist mit Momenten die von Innen wichtig sind? Wie fühlen die sich an? Und dehnt sich da auch die Zeit wie bei der Angst vor dem Moment. Oder verkürzt sich die Zeit da, wie bei den Momenten, die wir gern festhalten wollen?


Ich glaube das in solchen Momenten Zeit keine Rolle spielt. Sondern in diesem Moment gibt es einen besonderen Ton. Einen Ton der Harmonie. Und dieser Moment zeichnet sich dadurch aus das er ganz viele Töne nicht hat. Es ist ein Ton der Stille.


Das hat mir Jerry beigebracht. Jerry trägt heute ein Polo auf dem die Zahl „Sechzehn“ steht. Zwei grosse blaue Ziffern bedecken fast seine ganze linke Brust. Das T-Shirt ist weiss. So wie eine Leinwand. Auf der Rückseite des T-Shirts ist ein grossen Signal Roter Ball zu sehen. Wie die Französische Tricklore verspricht das T-Shirt Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.



Dieses Versprechen wird aber Jerry einlösen  und nicht Frankreich.


Zusammen mit seiner schwarzen Haut und seiner starken und trainierten Brust, sieht die Zahl 16 viel grösser aus, als als sie wirklich ist. Das wird nicht zuletzt von dem ganzen Sport kommen, das er als Sport-Therapeut so macht.


Sein Lachen ist immer schon lange zu hören, bevor man ihn sehen kann. Und man hört das Lachen nicht nur, sondern man spürt es auch. Ganz leicht auf der Haut und ganz leicht auf den Lippen.


Es gab über die letzten Wochen hinweg viele Gelegenheit wo wir uns gesehen haben. Dabei waren immer viele Leute um mich herum. Meistens in der Raucherecke, wo ich als Nichtraucher stand um den neusten Klatch und Tratsch zu hören.



Egal wann. Egal wieviele. Egal wer da noch stand. Sobald Jerry mich sieht, nimmt er den kürzesten Weg direkt auf mich zu. Spricht auf diesem Weg mit niemanden. Schaut mit direkt in die Augen. Lächelt sein schönstes Lächeln.


Egal ob von 1 Meter Entfernung oder von 100. Und sobald er bei mir ist, legt er seine Hand fast auf mein Gesicht. Kurz vor meiner linke Wange und gibt mir mit seinem Augen zu verstehen was ich zu tun habe.


Ich folge der Bitte seiner Hand und lasse meine Wange und damit meinen Kopf in seine Hand fallen. Ich stehe aufrecht und entspannt und lehne meine ganze Seele in seine Hand.




Und ich höre es. Diesen einen Ton. Diesen Ton der Harmonie. Diesen Ton der Zeit und Raum ersetzt. Diesen Ton der Verletzungen heilt und Sehnsüchte erfüllt. Diesen Ton der die Sucht nach Antworten stillt.


Den dieser Ton ist das Schweigen DER WILDEN 16!


Sie verstummen in kollektiver Zufriedenheit des Moments. Genießen das es keine Vergangenheit und keine Zukunft gibt für diesen einen Moment. Keine Erwartungen, die einen quälen. Keine Zweifel, die an einem zäheren. Keine Pläne, die einen versklaven.


In dem Moment wo ich mein Gesicht in seine Hand fallen lasse, ist alles warm und leicht und vollständig. Bin ich warm, leicht und vollständig.


Jerry ist ein Dschinn und lebt in der Zeit und dem Raum, die im beliebt.


Und zur einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort war er einmal Sklave am Hofe des persischen Sultans Schahryar. Als schwarzer Sklave hat er dort mit der Frau des Sultans geschlafen  (Siehe „1001 Tag" und "Trunken in Nüchternheit")



Als Dschinn bringt er jedem, der ihn ruft und aus der Flasche lässt, die eine Wahrheit, die Derjenige der ihn befreit, braucht um zu persönlich wachsen zu können.


Und jetzt ist er hier. Hier in Hürth bei mir. Und er ist heute mein Dschinn. Als er der Dschinn des Sultans war, hat er mit seiner Frau geschlafen, um dem Sultan den Weg zurück zur Liebe zu ermöglichen.


Für mich bringt er den den Ton der Harmonie. Indem er Harmonie in meine WILDEN 16 bringt. Indem er Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit bringt für alle diese Wilden 16.


Aber wer sind den diese Wilden?


Wir alle haben Innere Anteile, Stimmen, Perspektiven usw. Zusammen machen sie unsere Persönlichkeit aus. Mal können wir im Aussen mehr bestimmte Anteile sehn. Mal bekommen wir im Aussen bestimmt Anteile nie zu sehen. Manche bekämpfen sich unter einander. 

 

Ich habe mir 16 davon visualisiert und beschrieben.


Zusammen sind sie so was wie mein Innerer Chor. Alle haben eine Aufgabe und Funktion. Nur zusammen schaffen sie ein Lied. Nur zusammen kann Harmonie nach innen entstehen. Und ich im Aussen authentisch auftreten.


Ich will nicht alle der 16 hier an den Pranger stellen bzw. ins Spotlight ziehen. Aber einige wären es sicherlich wert vorgestellt zu werden.




Da gibt es welche die sind extrem unangenehm im Umgang, so wie mein „Innere Preusse“ oder "Richter Unerbittlich". Die halten aber den Laden am laufen.

 

Da gibt es auch richtig lustige Innere Anteile, wie den „Rheinländer“ und „The Storyteller“.


Auf der Arbeit zeigen sich wieder andere Anteile. Aber richtig spannend und interessantsind die Anteile die sich gar nicht zeigen. Wie zum Beispiel der „Lonesome boy“ oder auch der „inneren Zweifler“. 


All diese Anteile haben Bedürfnisse. Beziehungsweise stellen Teile meiner Bedürfnisse da. Und die können sich durchaus widersprechen oder sogar bekriegen. 



Fast alle machen fürchterlich viel Krach in mir. Aber das ist mir viel lieber, als die die sich still verstecken oder von mir versteckt wurden. Weil die sorgen richtig für Ärger. 


Dschinn oder besser gesagt Jerry, hilft mir bei diesem Krach und Ärger, mit dem Ton der Harmonie. Er stellt ihn nicht her oder bringt ihn mit, sondern er sorgt dafür,das ich ihn nicht verhindere.


Er hilf dem „lonesome Boy“. So das er aus dem Keller und seinem Versteck in die Freiheit kommen kann und in Gleichheit und Brüderlichkeit mit den anderen Inneren Anteilen leben kann.




Das ist der Moment wo ich meine Kopf aus der Hand von Jerry nehme und ihn küsse. Als er meinen Kuss erwidert, ziehe ich langsam sein blau, weiss und rotes Polo aus. Und geniesse den Ton der Harmonie. Die Stille meines Inneren Chors.  Er nimmt meine Hand und lässt sie nie mehr los.







Teil 1 : 1001 Tag
Teil 2 : Tunken an Nüchternheit

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