06.09.2003

Salvation Army. (2. Reisebericht aus Amstderdam)

Die Treppe ist die Grenze zwischen dem Eingang und der Garderobe.

Um dort hin zu kommen, arbeitet mann sich einen langen Gang entlang. An keinem Airport der Welt auf dem ich bisher war, habe ich strengere Sicherheits-Checks erlebet, wie im Escape in Amsterdam.

Kaum gab mann am Ende des Ganges dem Türsteher, der mehr Himalaja ist als Bodybuilder, seine Eintrittskarte, ist mann auch schon auf dem Centre Stage.

Wimbledon hat einen Centre Court.

Das Escape eine Centre Stage.

Die Treppe liegt wie eine Grenze zwischen dem Himalaja und der Garderobe. Keine 15 m2 weit entfernt.

Zwei Stunden saß ich auf der Treppe und habe den Einzug der Gladiatoren der Nacht auf diesem Centre Stage staunend verfolgt.

OK, das war nicht wirklich fair. Da ist zum einem das Licht, das einen wie in einem Kosmetik-Salon blass und müde aussehen lässt. Dann diese 5 Meter Weg zur Garderobe ließen alle Rückschlüsse aus der Körpersprache zu. Und wie einer sein T-Shirt oder Jacke auszieht, lässt mich auch gleich immer die Wohnungseinrichtung mit sehen.

Nicht immer schön.

Wie junge Fohlen waren fast alle uneingeschränkt nervös, diesen Centre Stage zu betreten. Das T-Shirt-zupfen und Haare-glatt-streichen nahm kein Ende. Bei jungen Hunden nennt mann das wohl "Übersprungsverhalten".

Aber wie immer schon, ist in Amsterdam kaum etwas jung.

Not 20 Something. Not 30 Something. It is more 40 Something. Alle trainiert. Zu mindestens im schwulen Duathlon: Brust und Bizeps.

Brav sind alle in den richtigen Label-Shirts und –Trousers erschienen. Stunden voller „Qual der Wahl“ vor dem Spiegel. Welches T-Shirt soll es denn nun sein? Und nach 5 Metern auf dem Center Stage, gibt mann es dann gleich wieder an der Garderobe ab.

Seltsam. Köln ist die Stadt der 20 Something.

Gibt es da vielleicht eine Strafversetzung, wenn mann als Gay-Youngster zu viel und zu lange Mascara und D-Squared in Köln getragen hat? Direkt in das Warmosstraat-Lager! Kaum ist mann in dieses Lager versetzt, bekommt mann als Willkommens-Geschenk: ein verderbtes, vernarbtes und eingefallendes Gesicht.

Zu mindestens denke ich das, als ich zwei Stunden auf der Treppe sitze und den Zug der Seelenlosen an mir vorbei ziehen lasse.

Ich vermute ja, dass das Salvation als Party im Escape diese strengen Drogen-Kontrollen an der Tür nur macht, um seine hauseigenen Dealer, die durch die Hintertür rein kommen, ein Monopol-Gewinn zu ermöglichen.

Denn ALLE bei der Salvation sind drauf.

Das Escape ist ein 20 Meter hoher Würfel mit einem 1 Meter hohen und 10 Meter langen Cat-Walk in der Mitte. All die kleinen Schwuppen lieben es hier drauf zu tanzen. Endlich sehen sie mal über andere hinweg. Endlich werden sie gesehen.

Und wenn mann da so auf der Treppe sitzt, fällt einem auch auf, das es so etwa wie eine Schwule Apartheid gibt. An der Garderobe sind wunderschöne Frauen. Die Glas- und Flaschensammler sind Heten. Offensichtliche Schwulenhasser. Die Bartender sind auch froh, dass sie die Bar zwischen sich und dem schwulen Pack haben.

Aber nachdem die 40 Something brav ihr Geld in die RICHTIGEN Bekleidungs-Einzelhandelsläden getragen haben, das RICHTIGE Sportstudio besucht haben und die RICHTIGEN und Wichtigen gegrüßt haben, zahlen sie auch noch dafür, das die Heten mal für sie arbeiten.

Wer 1000 Prozent Gewinnmarge ermöglicht wird gemocht. Oder ?

Nach den 2 Stunden, bin ich dann auch mal von der Treppe, in den Würfel gegangen.

Und da war sie: die Salvation Army!

Strikt organisiert. Uniform. Mit klaren militärischen Rängen und Kasten. Gestaffelt nach Titten-Zentimetern und Schwanzlänge. Aktiv und Passiv. Fashion, Butch & Camp. Ganz unten in der Hierarchie stehen die Hässlichen, Tucken und Kleinen. Dann kommen die Unteroffiziere: frisch trainieret, aber noch nicht massig. Dann die, die auf der Centre Stage sich gleich getraut haben ihr T-Shirt auszuziehen.

Geführt wird die Truppe, von Menschen die einen Leberschaden haben. Nach alle den Steroids. Husten dürften die Führer auch haben. Denn sie trinken Hustensaft, um die Körpertemperatur zu erhöhen. Instant Fat Burning.

Alle. Wirklich Alle. Sind pure Energiefresser.

Einem Drogenabhängigem gleich, sucht jeder nach Männern die Energie ausstrahlen. Sie quasi verschenken. Diese Männer sind die Hofnarren der Salvation Army. Es sind die, die ein echtes Lachen haben, aus reinem Herzen tanzen oder Augenpaare ihr eigen nennen, die mehr erzählen und versprechen, als alle Karl-May-Bücher zusammen.

Sie stehen außerhalb der Hierarchie und Kasten. Sie sind, ohne das sie es wissen, die Droge, nach dem sich die anderen sehnen. Und weil sie das nicht wissen, fühlen sie sich außen vor. Und tun über die Zeit hinweg alles, um dazu zu gehören.

Und je mehr sie dazu gehören durch Kleidung, Drogen und Leberverzicht, um so eher werden auch sie: zu Energiefressern.

Neue Rekruten für die Salvation Army.

Als moderne Vampire saugen sie mit ihren Kameraden zusammen nicht Blut, sondern Energie. Lebensenergie.

Wenn mann das so sieht, mit der Salvation Vampire Army, versteht mann auch warum es immer mehr werden.

Salvation heißt Heil.

Diese Armee bringt keine Salvation. Sie ist wie das schwarze Loch im Gay-Universum. Sie schluckt alle Energie mit der sie in Kontakt kommt.

Amsterdam 06.09.03

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