08.05.2007

Der Gärtner. (4. Reisebericht aus Marseille)

Vorsicht. Warnung. Diesmal geht es um zwei Begriffe die nicht jedermanns Sache sind. Romantik und Patriotismus.

Die Deutschen haben ja die Romantik nicht erfunden, aber doch für sich gepachtet. Und die Franzosen haben ja den Patriotismus nicht erfunden, aber doch für sich gepachtet.

Aber ich fang einfach mal zeitlich und örtlich in der Mitte an. Ich sitze auf einer winzigen Terrasse von 5 mal 10 Metern, die größer ist als die Wohnung von Laurent. Da Laurent Gärtner ist, musste er schon eine Terrasse haben, wenn schon keinen Garten. Und Garten ist wohl auch der falsche Begriff. Denn an diesem Sonntagmorgen frühstücken wir in einem Dschungel voll mit aller Flora, die das Mittelmeer zu bieten hat. Die Farbenpracht kann an diesem sonnigen Morgen nicht stärker sein und Blüten und Gräser ranken sich sprichwörtlich bis auf den reich gedeckten Frühstückstisch. Laurent ist 36 Jahre jung, seine Mutter ist Italienerin, sein Vater ist Spanier, aber in Algerien geboren. Natürlich hat er mein persönliches-lieblings-Gardemass von 175 cm, wunderbare Segelohren und er lispelt. Was auf französisch ganz wunderbar ist. Na und dass seine Gesicht und seine Haare, das Beste des Mittelmeers verband, versteht sich.

Er hatte in Kambodscha drei Monate in einem Kloster verbracht und dort die Meditations-Technik der „Kunst der Tee Zubereitung“ erlernt. Das ist kein Witz, sondern einfach einer der köstlichen Gesichten des Lebens.

Und so saß ich also auf der Terrasse und frühstückte mit ihm und beobachtet ihn dabei, wie er geschickt und geduldig den Tee zubereitet. Und um dem ganzen eine romantische Krone auf zu setzten, lief im Hintergrund die 3. Symphonie von Brahms.

Sagte ich schon mal, dass eine gute Vorbereitung alles ist? Na ja, Lauranet und ich hatten schon was länger vor meiner Reise in Gaydar gechattet. Deswegen holte er mich am Abend vor dem Frühstück im Hotel ab. Er stand da prachtvoll vor mir und folgerichtig gingen wir erst mal zusammen entlang der ehemaligen Prachtstraße Canebière. Das kommt von dem Wort Cannabis. Hier war aber früher nicht Klein-Holland, sondern die Seilmacher der Stadt. Bald bogen wir aber ab, in das algerische Marktviertel.

Lauranet unterwies mich noch mal darin, wie gefährlich es wäre in Marseille als Schwuler Hand in Hand zu gehen. Ich glaube zum einen sagte er sich das selber. Und zum anderen hatte ich vom ersten Tag an bemerkt, dass dies nicht stimmt. Vielmehr habe sich die Junx in Marseille stillschweigend darauf geeinigt, folgendes Spiel miteinander zu spielen: Ich spreche Dich für eine Zigarette oder wegen der Uhrzeit an. Du sagst nein, und 5 Meter weiter frage ich noch mal, ob es nicht normal, ist einen anderen Mann so was zu fragen. Und schon fällt einem ein, das mann ja noch Zigaretten im Hotelzimmer hat.“

Wenn man in das algerische Marktviertel abbiegt, passiert man unbemerkt einen Passstation und begibt sich durch ein Wurmloch im Raum-Zeit-Kontinium (es lebe der Fernsehkonsum) in das Algerien des 18. Jahrhunderts. Es war schon knapp vor 20 Uhr und der Markt schon abgebaut. Und nur noch der Schmutz und der Dreck und die Abfälle des Tages waren dar. Das gilt für die Dinge auf der Straße und die Menschen. So schlimm sich das ließt, so ehrlich ist es. Tiefe vernarbte und vergrämte Gesichter, abgewetzte Kleider, herrenlose Hunde. Abfall essende methusa-alte Männer. Jetzt ein gutes Equipement und ich hätte eine erfolgreiche Fotostrecke für die Magnum Agentur.

Er wie sich das so in großen Städten mit wenig Boden in der City begibt, war direkt dahinter der Platz „Cours der Julian“. Ein kleiner Platz mit vielen Restaurants und Bars in denen die jungen Franzosen der Stadt hingingen. Und da dies eine arme Stadt ist, sprechen wir nicht von schicken oder gestylten Bars. Ursprünglich, laut und runtergekommen, sind wohl die passenden Adjektive.

Laurent führt mich in eine spanische Tappa-Bar die gänzlich leer war. Überschwänglich und wie einen Geliebten, begrüßten die beiden spanischen Schwestern meinen reizvollen Begleiter. Die eine war kaum größer als Laurent und 120 Kilo leicht. Die andere war kaum 40 Kilo, aber größer als ich. Das erinnerte mich gleich an eine feminine Variante der spanischen Weltliteratur.

Lautstark führten sie uns in den Hof hinter der Bar. Hier quoll überraschenderweise über, von jungen Franzosen und Exil-Spaniern, die noch lauter als die Besitzerinnen den Abend feierten. Konversation als Vorspiel ist schon was Feines. Mit Rotwein gesüßt sowieso. Aber Englisch mit französischem Akzent und leichtem Lispeln ist einfach ein göttliches Wundermittel.

Und so konnte ich dieser Nacht alle Vorzüge eines 5-Sterne-King-Zeit-Bettes, die Wildheit der Nacht und den Zauber der Hände des Gärtners genießen. Dazu noch meine Lieblingsmusik aus meinem Laptop. Und wenn es etwas gibt, was noch schöner ist als einvernehmlicher, wilder Sex, dann ist es in den Armen dieses Mannes einzuschlafen und den Duft seiner Haut und unserer gemeinsamen Nacht zu inhalieren. Damit mann diesen Duft nie mehr vergießt.

Laurent wollte am nächsten Morgen das Frühstück unbedingt auf seiner Terrasse einnehmen, was ich jetzt wo ich hier sitze natürlich sehr verstehe. Wir beschließen heute am Sonntag, den Tag der Wahl des nächsten Französischen Präsidenten, schnell erst zur Wahl zu gehen und dann zum Schwimmen nach Cassis zu fahren.

Als wir die Grundschule um die Ecke betreten, bekomme ich ein Gefühl für den Patriotismus der Franzosen. In dieser Schule wie aus dem Kitsch-Kinderbuch, sind alle Wähler mit stolzerfüllter Brust anzutreffen. Liberté, Égalité, Fraternité, steht quasi jedem auf der Stirn geschrieben. Bereits im ersten Wahlgang war die Wahlbeteiligung schon sehr hoch gewesen. Nicht zu letzte wegen einer Landesweiten Aktion, als Reaktion darauf, dass es bei der letzten Wahl Jean-Marie Le Pen bis zur Stichwahl geschafft hatte. Hier in dieser Schule sah ich also die 50jährige, die sicherlich Klamotten trug, die einer 20jährigen schon zu frivol gewesen wären. Den Beur, also die so genannten algerischen Einwanderer, der nach der Wahl sich als Franzose fühlen durfte. Und die Damen mit flascher Dreireihigen Perlenkette und Chanel-Kostum-Kopie. Hier in dieser sonnigen Grundschule roch es nach dem Pulverdampf der beim Sturm auf die Bastille verschossen wurde.

Kein Wunder denn die Marseillaise wurde nun mal am 30. Juli 1792 als Lied von republikanischen Soldaten aus Marseille beim Einzug in Paris gesungen und am 14. Juli 1795 zur französischen Nationalhymne erklärt.

Freudig verließen wir den Ort der Bürgerrechte und machten uns mit dem Wagen von Laurent auf Richtung Cassis. Ein kleines Dorf voller Jachten und Touristen, das zu recht von seiner wunderschönen Küste lebt. Etwas vor dem Dorfkern, dort wo die Villen stehen, führt mich Laurent zu einem versteckten Zaun. Hinter dem führte ein steiler, steiniger Weg zu dem „Strand“. Er wird in Marseille der Pampelmusen-Stand genannt, weil die Villa neben dem Weg so heißt. Cassis ist berühmt für seinen Kalkstein, der Marmorgleich eine wunderbare Farbe und Zeichnung hat. Und damit war der „Stand“ dann auch eine kleine Bucht, die nur aus der Brandung und einem ehemaligen Steinbruch für diesen weißen Stein bestand. So lagen nun alle Schwulettas und Heteras, wie auf einem Tiffany-Marmor-Präsentierteller. Und als Laurent und ich vom Schwimmen zurück zu unseren Handtüchern kamen, waren alle meine Sinne wie überfüllte. Ich war geblendet von dem Blau des Meeres, der Licht der Sonne, das sich in dem strahlenden weißen Kalkstein besonders stark spiegelte. Ich fühlte den Körper des Gärtners. Ich roch in seinen algerischen Bauchhaaren unserer gemeinsame Nacht. Und ich schmeckte das Salz des Mittelmeers auf seinen Lippen. Und um den Kitsch perfekt zu machen, hörten wir gemeinsam der Brandung zu.

Ich hatte Dich gewarnt. Es wird romantisch. Also gut kommen wir zu dem eigentlichen patriotischen Teil. Da ich Laurent bei unserem Abendessen an der Strandpromenade von Cassis damit geärgert hatte, dass es in Marseille ja kein anständiges schwules Nachtleben gibt, schlug er mir ein Bier für den Abend im Trash vor.

Und so fuhr ich dann mit ihm nach meinem Tagestrip in Cassis und ein wenig Ruhe im Hotelzimmer gemeinsam ins Trash.

Auch dies war wieder eine schwule Bar auf hohem internationalen Standard, mit allen Erlebnis-Einrichtungen, die mann sich so von einer Sexbar vorstellt und wünscht. Nur die Besucher waren kaum da und von schlechter Qualität. Das gab mir die Gelegenheit zu bemerken, das in dieses Bar, die in Köln wie das Midnightsun oder die Station-2-b einzuschätzen ist, alles für die Präsidentenwahl geschmückt war. Überall hing die Trikolore. Auf den 15 Videoschirmen liefen nur auf drei ein Porno und in den übrigen wurde live von dem Sieg von Nicolas Sarkozy berichtet. Es lagen selbst im Eingang zu den Kabinen noch Wahlflyer der beiden Kandidaten.

Da aber Laurent mindestens so bekannt in Marseille ist, wie ich in Köln, suchte er uns was Leckeres aus und schnell verlegten wir das Geschehen in mein Hotelzimmer.

Und da brachten nicht nur uns drei zusammen. Sondern auch die Brüderlichkeit, die Gleichheit und die Freiheit. Nach dieser Nacht werde ich wohl nie mehr an dem Nachtleben Marseilles zweifeln. Und die Deutsch-Französische Freundschaft wurde ausgiebig vertief.

Da einzige was seltsam war, ist das im Hintergrund der Fernseher stumm lief und nach der Wiederholung der Dankesrede von Sarkozy, Mireille Mathieu stumm die Marseillaise anstimmte. Also sah ich gleichzeitig Mireille singen, hörte von meinem Laptop, den Tod Siegfrieds, komponiert von R. Wagner. Und fühlte, dass wir Drei keinen besseren Weg finden konnten Romantik und Patriotismus zusammen zu bringen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

hatte ja auch schon geile erlebnisse im "trash".
jedoch würde ich den laden nicht mit irgendwelchen schwuletten-puffs in köln vergleichen, denn im trash sind ungleich hübschere männer anzutreffen als in der deutschen provinz!

Morecgn hat gesagt…

Lieber Herr Anonym!

Jeder der Blogs schreibt freut sich über Reaktionen. Auch über solche wie Deine. Nur kann man nicht mit jemand der anonym ist diskutieren.

Von daher einen schönen Tag.

Wo auch immer du bist!